Kocin beglückt Türkiye und 100 Flüchtlinge!

45 minütige FCT-Gala gegen dezimiertes Altona 93

26. September 2015, 20:16 Uhr

Der starle Sascha de la Cuesta (r.) und Jepther Antwi im Kampf um den Ball. Foto: noveski.com

Es geht doch: Im ersten Heimspiel unter der Regie von Matthias Stuhlmacher hat der FC Türkiye den ersten Sieg nach zuvor sieben erlittenen Niederlagen am Stück gefeiert. Gegen einen personell etwas dezimierten Altonaer Fussball-Club legten die Wilhelmsburger vor allem 45 äußerst flotte Minuten aufs Parkett, in denen man die Gäste förmlich überrannte. Dass es im Leben allerdings wichtigere Dinge als den Fußball gibt, wurde am Rande dieser Partie deutlich.

Rund 100 Flüchtlinge folgten der Einladung des FC Türkiye an die Georg-Wilhelm-Straße und es waren tolle Bilder, als Väter und Mütter mit ihren Kindern kurz vor Beginn der Partie auf die Tribüne strömten, dort Platz nahmen und die Begegnung verfolgten. Ebenso toll mit anzusehen, war die Reaktion eines kleinen Mädchens, das vom verletzt am Spielfeldrand sitzenden AFC-Akteur Mustafa Hadid einen Schokoriegel überreicht bekam und dabei voller Freude ganz große Augen machte. Auch die Offiziellen des FC Türkiye kümmerten sich absolut beispielhaft um die Flüchtlinge, reichten während der 90 Minuten Wasserflaschen herum und luden nach Spielschluss zu einem riesengroßen Festmahl – mit Döner, Erbsensuppe und vielem mehr. Die unzähligen eingegangen Spenden, ob Kleidung oder Spielzeug, wurden ebenfalls nach dem Heimerfolg übergeben. Großen Respekt an den FC Türkiye!

Türkiye-Feuerwerk in Durchgang eins

Das 1:0: Torschütze Kocin (l.) ist einen Schritt schneller als Verteidiger und Keeper, schiebt zur Führung ein. Foto: noveski.com

Zum Sportlichen: Der AFC musste nicht nur den bereits erwähnten Hadid ersetzen, sondern auch auf Torsteher Arvid Schenk, Benjamin Lipke und Jakob Sachs, der sich beim Warmmachen verletzte, verzichten. Zudem nahm Kemo Kranich leicht angeschlagen auf der Bank Platz. So musste der Gast auf einigen Schlüsselpositionen umstellen, was überaus deutlich zu erkennen war. Insbesondere die linke Abwehrseite war löchrig wie ein Schweizer Käse. Immer wieder brach Türkiye über den rechten Flügel durch, wie auch in der siebten Spielminute, als Cem Cetinkaya per Volleyschuss nach Kocin-Flanke Schenk-Ersatz Joshua du Preez zu einer ersten Glanztat zwang. In den ersten 20 Zeigerumdrehungen spielte nur eine Mannschaft – und das war der FC Türkiye. Ein absoluter Bilderbuchangriff über Sascha de la Cuesta und Erdinc Güner, dessen Flanke von rechts Umut Kocin eindrückte, führte zur verdienten Führung (10.)! Ex-Profi Kocin zog nun so richtig auf, verfehlte das linke Toreck per Kopf nach erneuter Güner-Flanke nur haarscharf (14.), ehe Haisem Mohssen einen langen Ball aus dem Mittelfeld per Kopf in den Lauf des 27-Jährigen steckte. Kocin fackelte auf halblinks im gegnerischen Sechzehner nicht lange, sondern beförderte das Leder flach ins lange Eck – 2:0 (20.)!

Altona fand bis dato überhaupt nicht statt, was auch Berkan Algan nicht verborgen blieb. Der Übungsleiter reagierte und nahm den kurzfristig für Sachs ins erste Glied gerutschte Philipp Körner nach einer guten halben Stunde raus, brachte stattdessen mit Marko Sumic einen pfeilschnellen Außenstürmer. Es dauerte bis zur 37. Minute, als Laurel Aug nach Antwi-Pass den ersten Schuss aufs FCT-Gehäuse abfeuerte – knapp drüber.

Brügmanns Anschluss, Brauns Rettungstat

Die Riesentat von Tobias Braun, der in der Schlussminute Brügmanns Freistoß aus dem Knick kratzt! Foto: noveski.com

Nach der Pause änderte sich das Bild komplett! Altona drückte nun aufs Tempo und schnürte die Hausherren tief in der eigenen Hälfte ein. Die Folge: Nick Brisevac bediente Sumic auf links, dessen flache und scharfe Hereingabe drückte Felix Brügmann am zweiten Pfosten über die Linie – nur noch 1:2 und noch 40 Minuten Zeit! Die Algan-Elf war inzwischen nicht nur im Spiel angekommen, sondern mittendrin sowie drauf und dran, den Bock noch einmal umzustoßen. Allerdings war zumeist am gegnerischen Strafraum Endstation. Auch Stuhlmacher nahm den Kräfteverschleiß bei seiner Mannschaft wahr, rief lautstark rein: „Wo sind wir?!“ Eine gute Viertelstunde vor Ultimo war sie da, die Riesenmöglichkeit aufs 2:2 – doch nachdem Balzis und Kranich im Zentrum Brisevac frei spielten, scheiterte dieser am glänzenden Tobias Braun, der sich im Stile eines Handballtorwarts ganz lang machte und den Ausgleich verhinderte (76.). Den Wilhelmsburgern ergaben sich nun allerdings auch vermehrt Räume zum Kontern. Der starke Sascha de la Cuesta verpasste die Vorentscheidung nur um Haaresbreite (79.), ehe Verteidiger Mike Appiah in der Defensive gefordert war, als er sich mit allem, was ihm zur Verfügung stand in einen Brügmann-Schuss warf und rettete (81.). Die Schlussoffensive der 93er war bereits eingeläutet, aber in allerletzter Minute wurde „Joker“ Kevin Trenel, der für den erst eingewechselten Sumic in die Partie kam, direkt an der Sechzehnerkante zu Fall gebracht. Es gab noch einmal die große Freistoßchance, um vielleicht doch noch zumindest einen Zähler mitzunehmen. Felix Brügmann legte sich die Kugel zurecht, schnibbelte sie über die Mauer in Richtung linker Torgiebel – Braun streckte und reckte sich, fischte das Spielgerät mit den Fingerspitzen aus dem Knick. Eine herausragende Tat des Schlussmannes, der damit die drei Punkte festhielt! Da sowohl de la Cuesta als auch Alexander Pohlmann in der Nachspielzeit den dritten Treffer freistehend verpassten, blieb es beim 2:1.

„Wie geht der BVB damit um, wenn Aubameyang, Hummels, Gündogan und Reus ausfallen?“

Der Schlusspfiff! Große Erleichterung bei Matthias Stuhlmacher (r.) und Co-Trainer Oliver Kral über den ersten Sieg mit dem neuen Verein. Foto: noveski.com

„Wir wissen, dass wir herausragende Techniker in unseren Reihen haben. Was passieren kann, wenn man fit ist und schnellen Fußball spielen kann, was die Jungs aufgrund ihrer Technik können, dann sieht man, dass wir auch dazu in der Lage sind, eine Mannschaft wie Altona 93 auseinander zu spielen“, zeigte sich Matthias Stuhlmacher ob der Darbietung seiner Elf in der ersten Hälfte hochzufrieden, fügte aber gleichzeitig an: „Nach der Pause hat man dann gesehen, dass es noch ein recht fragiles Gebilde ist. Vom Fitnessstand her sind wir noch längst nicht da, wo wir hinwollen und auch müssen, um so ein Tempo über 90 Minuten zu gehen. Trotzdem bin ich mächtig stolz auf die Truppe – denn sie hat zu jeder Zeit alles gegeben. Mit diesem Sieg haben wir uns in der Oberliga angemeldet.“ Berkan Algan bilanzierte unterdessen: „In der ersten Halbzeit wurden unsere Fehler eiskalt bestraft, da waren wir phasenweise sehr unsortiert. Aber unsere Situation war auch nicht ganz so einfach, wenn einem unter der Woche Spieler wegbrechen, die nicht gerade unwichtig für uns sind. Ich weiß nicht, wie Dortmund damit umgehen könnte, wenn Aubameyang, Hummels, Gündogan und Reus auf einmal ausfallen würden. Ich möchte uns gar nicht mit denen vergleichen, aber die Situation ist miteinander zu vergleichen. Wir sind noch immer in einem Prozess, heute war das Quäntchen Glück nicht auf unserer Seite.“

Fotogalerie