Ein „Rüpel“, ein Rohdiamant - und Testspieler hüben wie drüben

St. Paulis U23 siegt nach deutlicher Leistungssteigerung gegen Cordi

02. Juli 2017, 20:36 Uhr

Überraschender "Gast" bei der U23 des FC St. Pauli: Wedels Marlo Steinecke agierte als Testspieler bei den Kiezkickern. Foto: KBS-Picture.de

Noch einige Minuten nach dem Schlusspfiff stand Cordi-Coach Florian Gossow mit drei seiner Führungsspieler – Kapitän Timo Stegmann, Yannick Siemsen sowie Finn Peters – beisammen und fachsimpelte. „Es ging um gewisse taktische Sachen“, erklärte Gossow anschließend und führte aus: „Es waren ein paar Dinge, die schon sehr gut waren, aber auch einige Dinge, die wir auch gerade nochmal angesprochen haben – wie das gemeinsame Verschieben oder auch Kommandos geben, wann wie wir was zu machen haben –, wo es noch ein bisschen fehlte.“ 

Ronny Buchholz (Mi.) erzielte die Cordi-Führung per Flachschuss aus 14 Metern halbrechter Position. Foto: KBS-Picture.de

Für St. Paulis Youngster Rudolf González war es ein ganz besonderer Tag. Der gerade erst aus der eigenen A-Jugend hochgezogene Offensivakteur feierte nämlich seinen 19. Geburtstag. Rein sportlich betrachtet stand González im Testspiel, das auf dem Naturrasen am Bekkamp stattfand, bei Oberligist Concordia häufig im Mittelpunkt – allerdings zumeist nur durch unnötige Foulspiele, die ihn schon im ersten Durchgang an den Rande eines Platzverweises brachten. „Ich mag seine Art, wie er spielt“, hatte Trainer Joachim Philipkowski durchaus lobende Worte für einen seiner acht neu im Kader befindlichen A-Jugendlichen übrig. Und doch: „Der Junge brennt, aber heute war das in vielen Aktionen ein dummes brennen. Er hat in dem Spiel so viele unnötige Fouls gemacht, da wäre man in der Regionalliga schon geschwächt, weil ich ihn da wahrscheinlich schon nach 20 Minuten hätte rausnehmen müssen. Er ist noch jung und wird noch lernen. Deshalb ist es für mich eine kleine Lappalie und nichts Großes“, fügte „Piepel“, der González zur Halbzeit runternahm, aus.

Führungsschütze Buchholz überzeugt auf ungewohnter Position

St. Paulis "Geburtstagskind" Rudolf González kam fast immer einen Schritt zu spät - wie auch in jener Szene gegen Andreas Goldgraebe. Foto: KBS-Picture.de

Deutlich erfreulicher verlief der Auftritt von Irwin Pfeiffer, der im zweiten Abschnitt sein Können zum Besten gab und ebenfalls brannte – allerdings im positiven Sinne. Der Angreifer jagte jedem Ball hinterher, erzielte einen Treffer und leitete die Wende mit ein. Denn: In den ersten 45 Minuten lief bei den „Kiezkickerchen“ so gut wie gar nichts zusammen. Immer wieder leistete man sich eklatante Abspielfehler und kam auch in den Zweikämpfen stets zu spät. Weil Edin Tanovic nicht aufpasste, konnte Ronny Buchholz – auf ungewöhnlicher Position im rechten Mittelfeld – trocken per Flachschuss ins lange Eck zur 1:0-Führung für Cordi vollstrecken (10.). Per Freistoß aus größerer Entfernung hätte der ehemalige Kiezkicker Timo Stegmann das Resultat fast verdoppelt, wenn das runde Leder nicht an den Pfosten geklatscht wäre (25.). Als González nach seinem x-Team Foulspiel von Referee Alexander Teuscher den längst überfälligen gelben Karton sah, könnte auch Gossow seine Emotionen nur schwer im Zaun halten. „Der größte Holzfuß hier“, schimpfte der Übungsleiter des Oberligisten in Richtung des St. Paulianers, der auf seine Weise konterte.

Youngster Pfeiffer dreht auf - Gossow: "Haben nicht auf Ergebnis gespielt"

Überzeugendster Kiezkicker: Irwin Pfeiffer trifft in jener Szene zum 1:1. Foto: KBS-Picture.de

Nach dem Wechsel gelang dem gerade eingewechselten Irwin Pfeiffer nach einem Tempolauf im Eins-gegen-Eins der schnelle Ausgleichstreffer (52.). In der Folge übernahm der Regionalligist das Kommando auf dem Platz und kam vermehrt zu Tormöglichkeiten. Erst lenkte Bojan Antunovic – der Ex-AFC-Fänger hütete als Testspieler das Tor der Concorden – einen Freistoß von Andranik Ghubasaryan an die Latte (59.), dann war er jedoch machtlos, als Dario Kovacic uneigennützig vor des Gegners Tor für Marcell Sobotta querlegte – 1:2 (65.). Folglich verpasste Pfeiffer zweimal die Vorentscheidung, nachdem zunächst der Querbalken im Weg stand (75.), ehe Antunovic aus allerkürzester Distanz zur Stelle war (78.). Die letzte Chance hatten dann jedoch die Hausherren in Person von Neuzugang Ricardo Balzis, der nach Zschimmer-Querpass eigentlich freie Bahn hatte, aber den Ball verstolperte (83.).

Doch insgesamt konnte Gossow einverstanden sein, mit dem, was er von seinem Team gegen den Kiez-Nachwuchs zu sehen bekam. „Unter dem Aspekt, dass wir gestern schon gespielt haben, haben wir das heute über weite Strecken ganz gut gemacht. Wir haben vom Tempo her mitgehalten und sind nicht eingebrochen. Der Fitnesszustand ist für die zweite Woche schon ganz ordentlich – spielerisch ist das noch verbesserungsfähig. Aber für mich ist immer wichtig, dass man den Willen sieht und der war bis zur letzten Minute da“, bilanzierte Gossow – und erklärte abschließend: „Wir haben nicht auf Ergebnis gespielt, sondern nur auf Weiterentwicklung. Das haben die Jungs gut gemacht.“

Steinecke mischt bei St. Pauli mit

Marcell Sobotta chippt den Ball zum 2:1 für die Gäste über Bojan Antunovic. Foto: KBS-Picture.de

Sein Gegenüber wollte die 90 Minuten und das Gezeigte seiner Elf hingegen nicht überbewerten und sagte mit einem kleinen Augenzwinkern: „Letztes Jahr haben wir gegen Cordi 0:0 gespielt.“ Schließlich führte er fort: „Wir sind ja gerade erst drei, vier Tage dabei und haben eine brutal junge Mannschaft. Heute hatten wir zu viele einfache Fehler drin, auch mit dem Ball, waren oft zu hektisch und haben auch in vielen Situationen schlecht verteidigt. Aber das passiert einer jungen Mannschaft. Vom Engagement her war das super. Die Jungs waren bemüht und haben Gas gegeben.“ Nichtsdestotrotz weiß Philipkowski, dass „auf uns noch eine Menge Arbeit wartet. Das ganze Paket wird nur funktionieren, wenn wir zu den Punktspielen auch drei bis fünf Spieler pro Spiel von oben bekommen. So wird das sonst sehr schwer – auch wenn die Jungs willig und bereit sind.“

Auch wenn bei weitem nicht alles rund lief, gab es durchaus eine sehr positive Erkenntnis: Die Leistung von Irwin Pfeiffer. „Wir wissen, was Irwin kann und welch Potenzial er hat. Er ist ein junger und sehr williger Spieler. In der U19 hat er auf Außen gespielt, wir planen ihn nur im Zentrum ein. Er war in der zweiten Halbzeit für uns der auffälligste Spieler. Es hat Spaß gemacht und ihm hat‘s auch Spaß gemacht. Mal gucken, wo seine Entwicklung hingeht“, wollte „Piepel“ den erst 18-Jährigen nicht allzu hoch jubeln, befand aber auch: „Es gibt also auch positive Erkenntnisse aus diesem Spiel.“ Eine weitere erfreuliche Meldung könnte es vielleicht schon bald für einen im Hamburger Oberhaus aktiven Spieler geben. Denn bei der U23 des Zweitligisten mischte Marlo Steinecke vom Wedeler TSV als Testspieler mit und fiel leistungsmäßig ganz und gar nicht ab. Ob's allerdings für einen Vertrag reicht, wird sich in den kommenden Tagen zeigen…

Autor: Dennis Kormanjos

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