Doppelter Juro-Jubel: „Ich war mir sicher, dass ich mir nicht sicher bin“

HEBC weist Tornesch im "Sechs-Punkte-Spiel" deutlich in die Schranken

01. Oktober 2017, 18:15 Uhr

Juro Julardzija (re.) hatte am Vormittag besonders viel Spaß: Erst holte er einen Elfmeter raus, dann trug er mit seinem Doppelpack zum 4:1-Sieg seines HEBC bei. Archivbild: Mathias Merk

Nervosität machte sich am Reinmüller breit, als der FC Union Tornesch mit der allerersten wirklich zwingenden Offensivaktion – die auch noch vom Gegner initiiert wurde – zum urplötzlichen Anschlusstreffer kam und die bis dato einseitige Partie auf einmal zu kippen drohte. „Vor allem nach der ersten Halbzeit, die so unglaublich mächtig von uns war. Wir haben nichts zugelassen und waren so klar die bessere Mannschaft, dass es lange Zeit schon fast wehtat, das Gefühl zu haben: Wir schießen dieses zweite Tor einfach nicht“, brachte Marco Fagin das Gesehene auf den Punkt und gab einen kleinen Einblick in seine Gefühlswelt, die nach den 90 Minuten eine Mischung aus Erleichterung und Freude ausstrahlte. Denn: „Das war heute schon beeindruckend von uns“, befand er.

Stefan Dösselmann musste nicht lange überlegen, als wir ihn auf die Gründe für das späte Erwachen seiner „Unioner“ ansprachen. „Die Erklärung dafür ist eigentlich relativ leicht: Uns haben heute fünf Mann, die in der letzten Woche noch in der Anfangself standen, gefehlt“, so der Übungsleiter des FCU, der aber auch gleichzeitig anmerkte: „Das soll keine Ausrede sein.“ Bis zur 15. Spielminute hätten seine Jungs das „richtig gut gemacht“, meinte Dösselmann. Dabei war das Spiel erst wenige Sekunden alt, als André Pott an der wohl ungefährlichsten Stelle des Strafraums – auf Höhe der Grundlinie direkt an der Sechzehnergrenze – in Folge eines Einwurfs viel zu ungestüm gegen Juro Julardzija zu Werke ging. Elfmeter! Doch Ole Natusch konnte die frühe Gelegenheit nicht beim Schopfe packen, sondern beförderte das Runde links am Eckigen vorbei (3.). Ein Rückschlag für die Hausherren und die Initialzündung für die Gäste? Mitnichten! „Wir wollten sie tief empfangen“, verriet Dösselmann hinterher den taktischen Plan, der trotz des vergebenen Strafstoßes schnell über den Haufen geworfen wurde. Tjorven Köhler mit starker Balleroberung am Mittelkreis und Fabian Lemke mit herrlicher Übersicht und tollem Schlenzer aus 20 Metern ins linke untere Toreck – 1:0 (20.)!

„Wir wussten, wir gewinnen das Spiel – und wir wussten auch, wir schießen noch ein drittes Tor“

Der HEBC, hier Stefan Hermes, war den Unionern immer einen Schritt voraus. Foto: Kormanjos

Im weiteren Verlauf des ersten Abschnitts spielte nach wie vor nur eine Mannschaft: Der HEBC drückte auf das zweite Tor, das aber irgendwie nicht fallen wollte – bis zur 44. Minute. Dann nämlich spielte erneut Lemke aus der Drehung einen sehenswerten Pass in die Schnittstelle, in die Jan Geist – verpasste zuvor gleich zweimal das 2:0 – startete. Frei vor Marco Wendt stehend legte der Offensivakteur noch einmal quer und ermöglichte Ole Natusch das Auswetzen des verschossenen Elfmeters (44.)! Die Überlegenheit seiner Elf umriss Fagin nach der Begegnung wie folgt: „Wir wussten eigentlich, wir gewinnen das Spiel – und wir wussten auch, dass wir noch ein drittes Tor schießen“, doch „dann kriegen wir, ohne dass der Gegner groß etwas verändert, aus einer ganz einfachen Situation ein ganz blödes Tor.“ Und auf einmal begann das Zittern. Denn: Erst spielte der ansonsten starke Köhler einen haarsträubenden Fehlpass am eigenen Sechzehner, dann traf Daniel Prange den zum Abschluss kommenden und an Tino Nennhaus scheiternden Jannek Laut am Fuß. Erneut zeigte der Unparteiische auf den Punkt – und urplötzlich hatte Tornesch aus dem Nichts die Chance, wieder für Spannung zu sorgen. Dennis Beckmann, der zuvor den Pass auf Laut spielte, wuchtete das Spielgerät unter die Latte und es hieß tatsächlich „nur“ noch 1:2 aus Gäste-Sicht (57.)!

„In der zweiten Halbzeit kommen wir endlich ins Spiel rein, machen den Anschlusstreffer und hätten auch den Ausgleich verdient gehabt – machen den aber nicht“, so Dösselmann. Während sein Gegenüber die Situation etwas anders einschätzte: „Wir hatten danach zehn, zwölf ganz blöde Minuten – aber ohne dass wir irgendwas zulassen. Es gab einen Kopfball aufs Tor, der auch noch Abseits war. Ansonsten haben wir das sehr souverän hintenrum gespielt und nichts anbrennen lassen“, sagte Fagin, der außer dem angesprochenen Kopfball noch zwei Distanzversuche der „Dösselmänner“ sah. Aber Nennhaus war sowohl gegen den 17-Meter-Schuss von Martin Schwabe (59.) als auch gegen den Freistoß von Serge Haag (63.) ganz sicher auf dem Posten. Und so war dem Akteur, mit dem alles begann, auch das erlösende 3:1 zuzuschreiben: Vom eingewechselten Stefan Hermes in Szene gesetzt, narrte Julardzija zwei Unioner am Strafraum, täuschte den Schuss mit rechts an und zog stattdessen links vorbei, eher er aus 14 Metern eiskalt per Flachschuss vollstreckte (82.)! Die Vorentscheidung – aber die „Veilchen“ hatten noch nicht genug. Vor allem einer war noch nicht fertig. Juro Julardzija schickte erst Philipp Erdmann, der von Haag regelwidrig am Abschluss gehindert wurde, und verwandelte dann den anschließenden „Penalty“ zum 4:1-Endstand (90.)!

„Wenn wir nicht Druck machen, wer denn sonst?“

Juro Julardzija (li.) war von Tornesch nicht in den Griff zu kriegen. Archivbild: Mathias Merk

„Die sind natürlich clever, abgezockt und nutzen jeden Fehler aus. Davon haben wir zwei, drei zu viel gemacht“, analysierte Dösselmann. „Sie haben verdient gewonnen, aber ich glaube, da wäre mehr drin gewesen. So schlecht fand ich uns auch nicht, wir haben nur zu leichte Fehler gemacht“, fügte er auf Nachrage an. Während Fagin der Meinung war: „Dass hintenraus noch zwei Tore fallen, ist mehr als verdient. Das haben wir heute richtig gut gespielt – das war schon beeindruckend.“ Und trotzdem musste man nach dem Anschlusstreffer kurzzeitig ein wenig bibbern und bangen. „Ich war mir sicher, dass ich mir nicht sicher bin“, witzelte der HEBC-Dompteur auf die Frage, ob er zwischenzeitlich mal Bedenken hatte. „Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass wir das aus der Hand geben. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass wir jederzeit noch ein, zwei Tore schießen können. Aber wir spielen nun mal Fußball – und wenn dann zwei, drei Sachen nicht ineinander greifen, was kurzzeitig der Fall war, dann kippt so ein Spiel auch mal schnell.“

Am Ende behielten die Eimsbütteler auf eindrucksvolle Art und Weise die Oberhand – und entschieden das „Sechs-Punkte-Spiel“ deutlich für sich. „So war auch die Ansage. Wir wollen so lange wie möglich oben dabei bleiben und wir sind auch nicht schlechter, als Platz eins, zwei oder drei. Wir gehören da in diese Gruppe rein und wenn wir nicht Druck machen, wer denn sonst? Es schläft ja alles ein“, scheint Fagin mit seinen Mannen nach drei Pleiten nacheinander wieder in der Spur zu sein. „Wir hatten zwei, drei Spiele, die nicht so gut waren, haben nach einem Jahr mal wieder ein Heimspiel verloren – und wollten auf jeden Fall etwas abliefern. Das haben wir richtig gut gemacht – gerade in den ersten 45 Minuten. Heute hatten wir eine sehr gute Mannschaft hier, die auch ins obere Drittel will. Ich denke nicht, dass uns irgendwer abschreibt – und das sollte auch niemand machen. Wir kommen jetzt und bleiben dran“, verspricht der 43-Jährige. 

Autor: Dennis Kormanjos