Die „Schöne und das Biest“ in wechselnden Hauptrollen…

HSV III erst spektakulär schön, dann muckt BU II mächtig auf

23. Juli 2017, 20:05 Uhr

Nach Spielschluss: Die Mannschaft des HSV III analysiert die positiven sowie negativen Aspekte des Spiels. Foto: Kormanjos

Vor knapp drei Jahren nahm die Erfolgsstory des HSV III ihren Lauf – mit einem Spiel in der Bezirksliga bei der Zweiten von BU, wo den Rothosen auf einmal der Zuspruch von mehreren Hundertschaften enthusiastischer Fans, die sich nach der Ausgliederung von den Profis abwandten und folglich die „Dritte“ unterstützten, zu Teil wurde. Nun trafen beide Vereine wieder aufeinander – in der ersten Runde des Holsten-Pokals. Die Rollenverteilung war dieses Mal jedoch eine ganz andere. Damals behielt BU II mit 3:1 die Oberhand – doch der HSV III ist inzwischen, auch mit Hilfe der Fans, in der höchsten Hamburger Spielklasse angekommen.

Und wie groß die sportliche Diskrepanz ist, die beide Teams mittlerweile voneinander trennt, wurde in der ersten Halbzeit überaus deutlich. „Da haben wir alles reingehauen, was wir hatten. Die Tore waren brutal gut rausgespielt. Wir waren sehr variantenreich in unserem Auftreten und sehr zielstrebig. Das war schon gut anzusehen“, befand nicht nur Felix Karch, dessen Equipe eine bemerkenswerte Frühform an den Tag legte – allerdings auch unter Mithilfe des „Underdogs“. „Wir waren ein bisschen aufgeregt und nervös. Das Selbstvertrauen und die Aggressivität haben gefehlt“, konstatierte Jan Haimerl, der nach dem Ende der Amtszeit von Andreas Höhn – weilte unter den Zuschauern – die Nachfolge angetreten hat und jeweils weit über ein Dutzend Neuzugänge/Abgänge zu verzeichnen hat. Dass da gewisse Automatismen noch nicht passen und viel Arbeit auf Haimerl wartet, ist nur verständlich.

Sharifi an allen fünf Toren beteiligt: Der HSV III zaubert

Nichtsdestotrotz war der Bezirksligist von Anfang an hoffnungslos unterlegen. Aber auch, weil der HSV III äußerst sehenswert und stark aufspielte. Nachdem Cordi-Neuzugang Bazier Sharifi den ersten Treffer – Sören Ostermann veredelte per Kopf nach Burtakucin-Flanke (8.) – noch toll eingeleitet hatte, war der „Tunjic-Ersatz“ gleich zweimal selbst zur Stelle: Seinen Premierentreffer im neuen Dress leitete Barmbeks Lukas Müller mit einem haarsträubenden Fehlpass ein. Emre Yasar bediente daraufhin Sharifi, der von halbrechts trocken und halbhoch ins kurze Eck finalisierte (12.)! Auch beim dritten „Rothosen“-Treffer hieß die erfolgsversprechende Formel: Yasar auf Sharifi (34.). Der HSV III spielte, während BU II nur zuguckte und den Gegner auch gewähren ließ. Bevor der Nachmittag für Bazier Sharifi, der sich immer wieder tief fallen ließ und die Bälle mustergültig verteilte, nach 45 Minuten – auch aufgrund leichter Hüftprobleme – beendet war, trat er auch beim 4:0, seine zu kurz abgewehrte Flanke landete bei Michael Ulbricht, der aus der Distanz per Flachschuss ins linke Toreck einschweißte, und 5:0 für sein Team noch einmal in Erscheinung, als er mit seinem Pass aus dem Zentrum das Spielfeld öffnete und Yasar auf rechts freie Bahn ermöglichte. Dessen Querpass veredelte abermals Ostermann (36.).

„Uns war klar, dass beim Gegner ein brutales Tempo auf dem Flügel vorherrscht. Man muss aber auch sehen, dass bei uns auf den Außen neue Jungs gespielt haben, was noch nicht so reibungslos funktionieren kann. Der HSV ist ja nicht umsonst in die Oberliga aufgestiegen, sondern gehört auch da hin. Keine Frage“, so Haimerl. Doch spätestens zu diesem Zeitpunkt roch es nach einer ganz herben Abreibung für den Bezirksligisten. „Natürlich macht man sich da Gedanken und hat auch immer die Differenz – pro Liga zwei Tore – im Kopf. Aber es ist ja normal, dass ein Oberligist ein ganz anderes Tempo geht. Trotzdem hat man es natürlich auf dem Zettel, dass es ganz gewaltig in die Hose gehen kann. Aber ich weiß auch, dass sich die Jungs nicht so leicht ergeben“, erklärte Haimerl – und sollte mit jener Einschätzung Recht behalten. Denn was zu diesem Zeitpunkt kaum einer für möglich hielt: Der fünfte Treffer des Oberliga-Neulings sollte der letzte Torerfolg der Karch-Elf in dieser Partie bleiben. Mehr noch. Durch das Betätigen der so oft zitierten Bremse, holte der HSV III den Gegner sogar wieder zurück ins Spiel.

BU II startet die Aufholjagd...

Der Ball zappelt im Netz! Bazier Sharifi hatte gerade zum 3:0 für seinen HSV III eingeschweißt.

„Es ist einfach unclever, dass man den Gegner nicht weiter laufen lässt. Wir haben es unnötig spannend gemacht. Spielst du das annähernd konsequent zu Ende, machst du hier acht, neun Dinger – und der Gegner braucht sich nicht beschweren. So spiegelt das den aktuellen körperlichen Zustand wider. Für uns war das hier ein Testspiel – so sah es dann auch aus“, gab Karch zu Protokoll. Mit der ersten Offensivaktion gelang dem Gastgeber noch vor der Pause das Ehrentor durch Kapitän Louis Rytina, der einen Freistoß von Helge Hinrichs in die HSV-Maschen schädelte (44.). Nur wenige Minuten nach dem Pausenpfiff tauchte Jan Haimerl schon wieder in den Katakomben auf. Wenig später folgte seine Mannschaft. Die Ansprache dürfte dementsprechend kurz ausgefallen sein. „Was willst du den Jungs nach so einer Halbzeit großartig erzählen? Draufhauen macht ja überhaupt keinen Sinn. Ich habe ihnen schon vor dem Spiel gesagt, dass sie es einfach genießen sollen. Wir haben es ja nicht so oft, dass so viele Zuschauer hier sind.“ Und ein Genuss für den Trainer war dann auch das, was er von seinen Schützlingen zu sehen bekam.

„Wir haben richtig gut nach vorne gespielt, hatten ein brutales Tempo drin, haben ab der Mittellinie gut gepresst und waren schön aggressiv. Genau das wollten wir – und das ist super aufgegangen“, stellte Haimerl fest. Der Favorit stellte das Fußballspielen nahezu komplett ein, was sich beinahe rächte. Nach einem Ballverlust in der gegnerischen Hälfte rollte der Barmbeker Gegenzug. Letztlich war es Tayfun Karakaya, der nach seiner Hereinnahme richtig Schwung ins Spiel seines Truppe brachte, mit einem punktgenauen Querpass von der rechten Seite Moritz Scholz das 2:5 ermöglichte (51.). Und eben jener Scholz hatte noch nicht genug. Nach einer Hinrichs-Hereingabe, die Hannes Steckel mit dem Arm abwehrte, traf der ehemalige Glashütter aus elf Metern zum 3:5 (60.). Sollte es in einer 35 Minuten lang an Einseitigkeit kaum zu überbietenden Begegnung tatsächlich noch einmal spannend werden? Karchs Ziel war jedenfalls schon längst Geschichte: „Wir wollten in der zweiten Halbzeit kein Gegentor mehr zu kriegen.“

"Die zweite Halbzeit ging an uns"

Dann vernaschte Hinrichs auf rechts Fabio Bandow, doch sowohl Andre Jozic als auch Karakaya blieben mit ihren Abschlüssen in der dichten Defensive der Gäste hängen (64.). Auch in den Schlussminuten hatte der Außenseiter noch zwei gute Aktionen, als zunächst Christoph Olbrichs Kopfball am Pfosten vorbei segelte (84.), ehe der sehr auffällige Karakaya an Scholz‘ Hereingabe nur hauchdünn vorbeihuschte (90. +2). Der Sieg der „Rautenträger“ geriet jedoch nicht mehr ernsthaft in Gefahr. „Auf das gesamte Spiel kann man wirklich stolz sein“, zog Haimerl ein Fazit, an das nach den ersten 45 Minuten nicht ansatzweise zu denken gewesen wäre. „Es war ein Zwei-Klassen-Unterschied auf dem Papier. Aber die zweite Halbzeit ging an uns. Das war auch die Vorgabe, dass wir die nicht verlieren wollten. Es war noch ein viertes Tor drin – und wer weiß, was hier dann noch gegangen wäre?“ Sein Gegenüber konnte von der ersten Hälfte seiner Mannen schwärmen – aber letztlich überwog dann doch eher das (Nicht-)Gezeigte im zweiten Durchgang. „Unterm Strich haben wir uns angemessen verkauft und die nächste Runde erreicht. Mehr war nicht das Ziel. Die Alternative wäre gewesen, zu trainieren. So haben wir uns wenigstens ein bisschen bewegt. Letztlich kann ich mich auch nur über den Sieg freuen. Über das Zustandekommen und gerade über das Auftreten in der zweiten Halbzeit eher weniger“, so Karch, der abschließend allerdings anfügte: „Es ist zum aktuellen Zeitpunkt der Vorbereitung auch nicht so leicht für die Jungs.“

Autor: Dennis Kormanjos