Blieschs Bekenntnis, Bettins unglückliches Bild und falsche Beharrlichkeit

Abpfiff – die FussiFreunde-Kolumne

29. Mai 2017, 11:09 Uhr

Foto: KBS-Picture

An dieser Stelle greifen wir unter dem Titel „Abpfiff“ in unserer Kolumne die Geschehnisse und die wichtigsten Themen im Hamburger Fußball auf und kommentieren diese. Diesmal geht es um das ODDSET-Pokalfinale zwischen Eintracht Norderstedt und der SV Halstenbek-Rellingen und die Entscheidung von Schiedsrichter Thorsten Bliesch sowie den Abstieg von Hamm United und das Verhalten des TuS Osdorf nach dem abgebrochenen Spiel gegen den SC Condor.

Eigentlich, so viel war zumindest in dem Moment, als es passierte, klar, würde es in dieser Kolumne um einen Skandal gehen. Den, dass Thorsten Bliesch – um es einmal provokant zu formulieren – der SV Halstenbek-Rellingen mit einem Pfiff den ODDSET-Pokalsieg geklaut hat. Denn von der Pressetribüne sah es am Donnerstag in jener 92. Minute, in der Bliesch den Treffer von Linus Meyer zum 1:1 für Eintracht Norderstedt gab, so aus, dass es keine andere Wahl gegeben hätte, als in diesem Moment auf ein klares Foulspiel zu entscheiden. Doch diese Kolumne wird nicht davon handeln, wie skandalös diese Entscheidung vielleicht gewesen sein mag. Nein, sie wird – zumindest in Bezug auf das Finale – zu einem großen Teil von etwas handeln, was vielen bei der Diskussion in den Tagen nach dem Spiel vor allem in den sozialen Netzwerken völlig abgegangen ist: von menschlicher Größe.

Was hängenbleiben sollte, ist, dass Bliesch sich entschuldigt hat

Arm in Arm – trotz des strittigen Pfiffs im Pokalfinale: Schiedsrichter Thorsten Bliesch (li.) und HR-Trainer Heiko Barthel. Foto: Kormanjos

Zuerst einmal: Als Thorsten Bliesch nach dem Spiel in einem Interview mit den Kollegen von „amateur-fussball-hamburg.de“ sagte, er würde den Zweikampf zwischen Mirko Oest und Jan Lüneburg auch jetzt nicht abpfeifen und somit an seiner Entscheidung festhalten, da hatte der Referee noch kein einziges Fernsehbild dieser Szene gesehen. Bliesch wäre gut beraten gewesen, vielleicht zu diesem frühen Zeitpunkt nach dem Abpfiff nichts zu sagen. Es ist ihm aber irgendwie auch hoch anzurechnen, dass er sich dennoch hat stellen wollen. Inzwischen übrigens hat der Unparteiische erklärt, der habe sich „am Freitag in Ruhe und in groß die Szene angeschaut und musste feststellen, dass Herr Lüneburg nicht mit dem Kopf am Ball war uns es somit ein Foulspiel war. Mir tut es leid für die Spieler und den Verein SV Halstenbek-Rellingen. Entschuldigung.“ Auch wenn die Worte des Bedauerns mit einiger Verspätung kommen: Respekt, Herr Bliesch. Den Mut, sich hinzustellen und einen Fehler zuzugeben, hat nicht jeder! Das gilt im Übrigen nicht nur auf, sondern auch abseits des Platzes im normalen Leben.

Respekt übrigens haben sich auch diejenigen Spieler von HR verdient, die am Donnerstag nach dem Finale in der Kabine Blieschs auftauchten und dem Schiri gegenüber bekundeten, dass auch er nur ein Mensch sei und Menschen nunmal Fehler machen. Klar kann man auch die Enttäuschung und den Frust von HR-Präsident Hans Jürgen Stammer nachvollziehen, der in Tränen aufgelöst harte Kritik an Bliesch und dessen Entscheidung übte und auf der Pressekonferenz noch einmal nachlegte, indem er den Verband aufforderte, künftig keinen Referee mehr für das Finale anzusetzen, der seine Karriere beendet, sondern vielmehr den jeweils besten Unparteiischen Hamburgs. Aber: Weit mehr Größe hatte das Auftreten von HR-Coach Heiko Barthel nach dem Spiel, der seinen Jungs noch auf dem Platz eintrichterte, dass „es jetzt nicht blöd werden sollte“, sprich: dass HR nicht geschlossen auf den Schiri schießen solle. Stunden nach Spielschluss übrigens saßen Bliesch, Barthel, dessen Co-Trainer Jan Rottstedt, HR-Spieler Sascha Richert und Blieschs Schiri-Assistent Thomas Bauer sowie der Vierte Offizielle Ralph Vollmers gemeinsam in der Kabine des Hoheluft-Stadions. Mehrfach wurde die Szene aus der 92. Minute beurteilt, von der übrigens selbst ein Ex-Oberliga-Trainer am Freitag eine ganz andere Meinung hatte als drei seiner Ex-Spieler, angesehen.

Hamm: Missvertständnis Bettin – doch für den Abstieg gibt es mehrere Schuldige

Glücklos auf der Hamm United-Bank: Trainer Thorsten Bettin. Foto: KBS-Picture

Bliesch hegte übrigens da schon erste Zweifel an der umfassenden Richtigkeit seiner ersten Beurteilung der Szene, von der besagter Ex-Oberliga-Trainer – und nicht nur er – sagen: sie wäre so gar nicht zur Diskussion gekommen, wenn HR-Keeper Oest den Ball einfach weggefaustet statt den Versuch unternommen hätte, den Ball zu fangen. Vermutlich hätte die Mehrzahl der Schiedsrichter die Szene als Foul beurteilt, vermutlich machen wir Außenstehenden es uns – egal ob mit oder ohne Schiri-Schein – leicht, die Szene im Nachhinein zu beurteilen. Weil wir die Fernsehbilder kennen beziehungsweise sie früher kannten als Bliesch. Aber: Wer von uns hätte unter dem Druck, Spielleiter eines Finales vor mehr als 3000 Zuschauern zu sein, in der 92. Minute nicht in der Schnelligkeit der Szene auch einen Fehler gemacht? Wir haben im Nachhinein leicht reden. Was hängenbleiben sollte, ist nicht, dass Bliesch einen vermeintlichen Fehler begangen hat, sondern dass er sich entschuldigt hat. Lasst uns die gleiche Größe zeigen wie Heiko Barthel, der allem Frust zum Trotz, weit nach Abpfiff Arm in Arm mit Thorsten Bliesch in der Kabine beim gemeinsamen Bier saß.

Kommen wir von Bliesch und Barthel zum nächsten Herren mit einem „B“ im Nachnamen: Thorsten Bettin. Der ist bekanntlich am vorvergangenen Wochenende mit Hamm United dank einer 2:5-Niederlage im „Abstiegs-Endspiel“ gegen den FC Elazig Spor aus der Landesliga Hansa in die Bezirksliga abgestiegen. Und machte dabei keine gute Figur: Beim Mannschaftskreis vor dem Anpfiff raffte sich sogar Uli Schulz, körperlich sicherlich nicht mehr der Fitteste, auf, um dabei zu sein und vorm „Spiel der Spiele“ den Teamgeist zu beschwören. Nur einer fehlte: Bettin. Der spazierte lieber fünf Meter weiter einige Schritte hin und her. Es mag nur eine kleine, vielleicht unbedeutende Randnotiz sein – sie verdeutlicht aber das, was in den vergangenen Wochen öfter deutlich wurde, bisher aber keiner sagte: Thorsten Bettin und Hamm United – das war bisher nicht unbedingt die beste Entscheidung. Nein, vielleicht sogar ein Missverständnis. Sicher: Es war gut und richtig, nachdem man Uli Schulz als Nachfolger von Ayhan Türkkan seines Amtes enthoben hatte, einen Coach von außen zu holen. Allerdings: keinen, der rein alterstechnisch keinen riesigen Unterschied zu Schulz hat. Viel, so hört man, habe sich nämlich nicht verändert.

Osdorf: Punkte in der Tabelle gewonnen, Sympathiepunkte verspielt

Das war wohl nicht so gut: Der TuS Osdorf und Coach Piet Wiehle mussten sich aufgrund des Verhaltens nach dem Abbruch-Spiel gegen Concor Kritik anhören. Foto: KBS-Picture

Es ist ein offenes Geheimnis, das es im Kader Spieler gibt, die intern bereits Kritik an den Methoden Bettins geübt haben – sowohl was das Training als auch den Umgang mit Spielern und personelle Entscheidungen angeht. Zudem: Der Coach war eigentlich bereits von Anfang an „verbrannt“, hatte er doch bei seiner vorherigen Station, dem FC Türkiye, bereits erklärt, dass dies seine letzte als Trainer sei. Wer nimmt einen Coach, der eigentlich gar keiner mehr sein will, denn überhaupt noch völlig ernst? Nur, dass wir uns nicht falsch verstehen: Den HUFC-Abstieg allein Bettin anzuheften, wäre zu einfach. Bei den „Geächteten“ haben alle Fehler gemacht – vom Vorstand über das Management und die diversen Trainer bis hin zu den Spielern. Aber: Die Wahl Bettin hat sich in den vergangenen Wochen nicht gerade als die glücklichste herausgestellt – weder in- noch extern. Und daran ist bei Letzterem auch das Auftreten des Coaches selbst nicht ganz unschuldig.

Abschließend noch ein Wort zum TuS Osdorf und seinem Verhalten, nach dem witterungsbedingten Abbruch des Spiels beim SC Condor nicht mit den „Raubvögeln“ gemeinsam einen Antrag auf Wertung des Spielstands bei Abbruch beim Hamburger Fußballverband zu stellen: Klar, als Fußballer will man gerne spielen, gerne Ziele erreichen. Aber ist es der Titel „bester Aufsteiger“ wert, einfach zu missachten, dass der Gegner überhaupt kein Gegner mehr gewesen wäre, weil er sich – wenn überhaupt – mit einer absoluten Notelf hätte präsentieren müssen?!? Am Berner Heerweg versuchten sie alles, um für den vergangenen Freitag ein Team auf die Beine zu stellen. Dem SC Condor ist keinerlei Vorwurf zu machen, dass man letztlich keine Truppe zusammenbekam und dem Verband einen Nichtantritt meldete. Es gibt schließlich einen Rahmenterminplan, an den sich die Vereine und Spieler halten – und der sah nun einmal den letzten Spieltag für den 19. Mai 2017 vor. Der TuS Osdorf hat mit seinem beharrlichen Festhalten daran, dass man unbedingt spielen wollte, Sympathiepunkte verspielt, auch wenn er in der Tabelle durch den Nichtantritt Condors drei gewonnen hat. Dass der TuS sich nun mit der Hälfte an den 400 Euro Strafe beteiligen will, die die „Raubvögel“ wegen ihres Nichtantritts zahlen müssen, ist ein Zeichen von Gewissensbissen. Und irgendwo auch das Eingeständnis eines Fehlers...

Jan Knötzsch