Bernes „goldene Generation“ – „Wir wollen gucken, wo für uns die Grenzen sind“

Chefcoach Frank Neben verfolgt ehrgeizige Ziele mit dem Bezirksligisten

20. April 2017, 08:59 Uhr

Gibt eine klare Richtung vor, lässt seine Spieler aber auch selbstständig machen: Frank Neben verfolgt mit seinen Bernern ehrgeizige Ziele. Dazu gehört auch der LL-Aufstieg. Foto: noveski.com

Am 27. Februar 2016 verspielte Real Madrid seine letzte Titelchance in der spanischen „LaLiga“, als das Star-Ensemble im „Bernabéu“ das Derby gegen Atletico Madrid mit 0:1 verlor und am Ende dem FC Barcelona den Vortritt lassen musste. Fast auf den Tag genau zwei Monate später kassierte der TuS Berne in der Bezirksliga Nord im heimischen „Berner Beu“ eine 3:4-Niederlage gegen den SV Bergstedt. Neben dem nahezu identischen Namen der Spielstätte haben beide Teams aber noch weitere Gemeinsamkeiten. Denn: Nachdem es im letzten Jahr nicht zum ganz großen Wurf reichte, kämpfen sowohl die „Königlichen“ als auch die „Berner Boys“ aktuell sehr aussichtsreich um die Meisterschaft mit. Und die Cristiano Ronaldos, Gareth Bales und Toni Kroos‘ des Siebtligisten heißen Tom Wohlers, Marco Theis oder auch Jonathan Zinn.

Seit dem WM-Jahr 2006 ist die Bezirksliga das zu Hause des TuS Berne. Nachdem es in den ersten Spielzeiten einzig und allein darum ging, die Klasse zu halten, um sich in den darauffolgenden Jahren in der siebthöchsten Spielklasse zu etablieren, wollte man beim TuS schließlich auch den nächsten Schritt in Angriff nehmen. Als Tabellenvierter (2010/11) und Rang-Dritter (2011/12) verpasste man zweimal nur denkbar knapp den Aufstieg in die Landesliga. Anstatt den nächsten Sprung zu schaffen, folgten Spielzeiten der Ernüchterung. Im Oktober 2014 trennte sich der Verein von Trainer Tom Woltemath und holte dessen Vorgänger Frank Neben, der gerade erst „aus beruflichen Gründen“ beim Hoisbütteler SV zurückgetreten war, an die alte Wirkungsstätte zurück. Denn: Der TuS war inzwischen nicht nur meilenweit von den Plätzen in der oberen Tabellenhälfte entfernt, sondern befand sich mitten im Abstiegskampf. Doch unter dem neuen/alten Übungsleiter gelang schlussendlich der Klassenerhalt – obwohl man die Saison 2014/15 punktgleich mit dem späteren Absteiger Ahrensburg auf Position zwölf beendete.

„Ich bin kein Trainer, der um Platz zehn spielt“

„Dribbelkünstler“ Marco Theis ist auf der Außenbahn kaum zu halten. Foto: noveski.com

Ein Neuanfang war nötig – und wurde auch eingeleitet. Rückkehrer Neben setzte vor allem auf die Jugend und entwickelte eine schlagkräftige Mannschaft, die wieder Spaß machte. Der fünfte Rang in der vergangenen Saison war bereits ein Indiz dafür, wo die Reise hingehen kann. Mittlerweile sind die „Berner Boys“ nicht nur eine schlagkräftige Bezirksliga-Truppe, sondern wieder in den Gefilden unterwegs, wo man sich vor Jahren schon einmal wähnte – und mehr noch. „Wir haben alle ein Ziel vor Augen“, macht auch Neben selbst keinen Hehl mehr aus den Ambitionen. „Ich bin kein Trainer, der um Platz zehn spielt. Wir haben ein gewisses Spielerpotenzial zur Verfügung und unser ganzes System darauf ausgerichtet.“ Mit diesem Stil setzt Berne in der Nord-Staffel neue Maßstäbe. „Wir richten unser System nach den Spielern aus, die wir haben – und dieses System ist hochmodern und schwierig zu bespielen, weil die Jungs nur schwer zu halten sind. Aber das System ist eben nicht alles, es sind auch die Spieler, die es ausfüllen. Das gibt uns die Möglichkeit, in Ballbesitz zu bleiben. Und je höher der ist, desto mehr können wir unsere technischen Qualitäten ausspielen.“ Was es für die Gegner nicht gerade einfacher macht, ist die Tatsache, dass man „während des Spiels mit unterschiedlichen Systemen agiert, um noch flexibler zu sein“.

„Die Anfragen von Oberligisten kommen ständig“

Die große Stärke des Trainers: Die Arbeit mit jungen Spielern. Da wäre zum Beispiel Tom Wohlers. Der Angreifer kam im vergangenen Jahr aus der Jugend des Niendorfer TSV und führt nun die Torschützenliste der Bezirksliga Nord mit glänzenden 22 Toren in 19 Einsätzen (Stand: 08.03.2017) an. Hinzu kommen die kaum zu bremsenden „Flügelraketen“ Marco Theis und Jonathan Zinn, die der Bezirksliga ebenfalls ihren Stempel aufdrücken. Kein Wunder also, dass Berne ganz oben dabei ist. Aber auch, dass die Leistungen der „Youngster“ Begehrlichkeiten bei höherklassigen Klubs wecken. „Die Anfragen kommen ständig! Aber darüber machen wir uns jetzt auch gar nicht verrückt. Denn diese Jungs bringen selbst Spieler mit. Das würden sie nicht tun, wenn sie mit dem Gedanken spielen, zu gehen. Ich will nicht sagen, dass wir eine große Familie sind. Denn eine Person ist für das Ganze verantwortlich und muss die Hand drüber halten. Aber wir geben den Jungs wirklich den Freiraum, mitzumachen und mitzuentwickeln. Das bringt uns zum Schluss auch weiter“, so Neben, der sein „Händchen“ für junge, talentierte Spieler wie folgt erklärt: „Ich selber hatte damals auch Schwierigkeiten, als es von der A-Jugend in den Herrenbereich ging und bin in der Zeit auf Trainer gestoßen, die mir anfangs nicht wirklich helfen konnten. Da habe ich mir gesagt: Wenn ich später Trainer werde, mache ich alles anders. Und auch vom naturell her habe ich einen gewissen Draht zu den jungen Leuten. Vielleicht auch, weil ich selbst einen 19-jährigen Sohn habe.“

Landesliga? „Natürlich!“

Der Mann für die Tore: „Vollstrecker“ Tom Wohlers. Foto: noveski.com

Neben weiß ganz genau um die Stärke seiner Mannschaft. „In dieser Klasse stehen wir zu Recht da, wo wir jetzt stehen. Und wir wollen natürlich weiterkommen. Dafür bin ich da und wurde vom Verein engagiert, damit es in die richtige Richtung geht.“ Diese Richtung soll zunächst in die Landesliga führen. „Ja, natürlich!“, betreibt Neben – im Gegensatz zur heutigen Zeit und im Vergleich zu vielen Kontrahenten – keinerlei Understatement. „Ich sage den Jungs ja auch, dass wir eine gute Mannschaft sind. Damit darf und sollte man auch nicht hinterm Berg halten. Wir wollen uns ja auch nicht schlechter, aber auch nicht besser machen, als wir sind. Aber wenn wir nur einen Punkt hinter dem Ersten sind: Welches Ziel sollen wir denn dann haben?! Ich könnte mich jetzt auch hinstellen und sagen, dass wir gegen den Abstieg spielen wollten und jetzt gerettet sind. Aber das wäre doch totaler Quatsch!“ Eine klare Ansage, der Neben anschließt: „Ob der Ball im vorletzten Spiel aber vom Innenpfosten ins Tor geht, weiß ich nicht. Ich habe schon alles erlebt. Manchmal entscheiden eben Kleinigkeiten.“

„Erfolgscoach“ bleibt – Spieler senden auch positive Signale

Und es ist ja nicht so, als würde es keine Konkurrenz geben. Bergstedt, BU II und der Eimsbütteler TV sind in absoluter Schlagweite und wollen ebenfalls das Bestmögliche erreichen. Als ärgsten Widersacher sieht Neben den ETV an, wie er verrät – und zwar aus folgendem Grund: „Wir haben bei uns auf dem Platz in zwei Jahren nicht viele Spiele verloren. Die erste Mannschaft, die uns hier richtig wehgetan hat, war der ETV. Im Hinspiel haben wir es versäumt, in der ersten Halbzeit den Sack zuzumachen. Aber dann ist der ETV in der zweiten Halbzeit so aufgetreten, wie es selten eine Mannschaft bei uns auf der Anlage getan hat. Da ziehe ich wirklich den Hut vor. Sie haben uns überrascht und alles abverlangt. Wir sind da mit einem blauen Auge davongekommen. Aber sie haben auch mit vielen jungen Spielern zu tun – und die sind eben nicht immer konstant. Da herrscht eine große Leistungsfluktuation.“ Apropos Fluktuation: In Berne kann davon nicht die Rede sein. Denn der „Headcoach“ hat dem Verein bereits seine Zusage für die kommende Saison gegeben. „Ja, ich bleibe.“ Auch mit dem Großteil der Spieler wurden bereits erste Gespräche geführt. „Die meisten der Jungs haben sofort ‚Ja‘ gesagt – ganz egal, ob wir aufsteigen oder nicht. Die Entwicklung soll weitergehen und ist noch nicht zu Ende.“

„Wenn es nach mir geht, dann will ich ganz nach oben“

Auch Jonathan Zinn (re.) – hier gegen Barmbeks Kevin Lange – ist einer der Erfolgsgaranten. Foto: noveski.com

Während BU II beispielsweise auf die pure Erfahrung im Aufstiegskampf setzt, hat der TuS Berne einen anderen Weg eingeschlagen und setzt diesen konsequent fort. „Wir bauen sehr auf die Jugend, was der schwierigere Weg ist. Aber wir sind davon überzeugt, dass es doch den einen oder anderen Jungen gibt, der sich das zutraut.“ Zudem habe man „einen sehr großen Liga-Kader und spielen nicht nur mit Erster und Zweiter, sondern nennen das Ganze 1A und 1B, so dass die 1B auch dasselbe System spielt und wir schneller fließend wechseln und Spieler bei uns einbinden können“, erklärt Neben. „Im letzten Jahr brauchte das nämlich eine gewisse Zeit. In der Hinsicht sind wir auch was die Zukunft betrifft gut aufgestellt.“ Und in dieser steht die Weiterentwicklung absolut im Vordergrund – zumindest, wenn es nach Neben geht: „Stillstand ist für mich Rückschritt. Wenn es nach mir ginge, dann will ich ganz nach oben. Und ich glaube, das will eigentlich jeder Trainer. Man muss aber gucken, dass man sich keine Luftschlösser baut, sondern genau einschätzen kann, wozu man auch in der Lage ist. Es reicht ja auch nicht, was auf dem Platz geschieht – auch das Drumherum muss stimmig sein. Das Signal, wo wir enden wollen, muss im Grunde genommen der Verein senden. Also ich bin für alles zu haben und traue es mir auch zu, den Sprung ganz nach oben zu schaffen. Und da wären auch einige Spieler, die diesen Weg durchaus mitgehen könnten.“

„Wollen so weit marschieren, wie wir können“

Aber sind diese ambitionierten Ziele in Berne überhaupt darstellbar? Neben: „Im Moment eher nicht. Derzeit sind wir als Verein sehr gesund aufgestellt, was ich auch wichtig finde. Deshalb gehen wir ja auch den schwierigen Weg mit der Jugend. Der erste Schritt, den wir in Angriff nehmen wollen, ist der in die Landesliga. Wenn wir das geschafft haben, geht es darum, sich erst einmal zu akklimatisieren, um dann zu schauen, wozu ist man noch in der Lage. Damit meine ich punktuell und nichts Wildes nach dem Motto: Wir kaufen jetzt die ganz großen Spieler ein. So etwas geht immer nur eine Zeit lang gut und meistens nicht mal das. Es soll alles gesund aufgezogen werden, was den Trainern manchmal zwar den Atem raubt und graue Haare mit sich bringt – aber das ist für den Verein das Beste. Wir wollen den Zuschauern, die hierher kommen, etwas bieten, so weit marschieren, wie wir können – und wirklich gucken, wo die Grenze ist.“

Autor: Dennis Kormanjos