Altonas Angst, Lurups Chance und einige Fragwürdigkeiten

Abpfiff – die FussiFreunde-Kolumne

03. Mai 2017, 15:08 Uhr

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Ab sofort greifen wir an dieser Stelle unter dem Titel „Abpfiff“ in unserer Kolumne die Geschehnisse des Wochenendes und die wichtigsten Themen der vorangegangenen Woche im Hamburger Fußball auf und kommentieren diese. Diesmal geht es um den Saisonendspurt von Altona 93, die laufende und die neue Saison bei Germania Schnelsen und dem SV Lurup sowie das ODDSET-Pokal-Finale, die SV Halstenbek-Rellingen und den Unsinn eines Regelations-Spiels am „Tag der Amateure“.

Anno 1974, im Jahr des deutschen Triumphs bei der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Lande wurde das Melodram „Angst essen Seele auf“ des Regisseurs Rainer Werner Fassbinder uraufgeführt. In München übrigens. Jener Stadt also, in der die Nationalelf unter Helmut Schön damals auch ihren Titel errang. Die Verbindung zum Fußball ist also gegeben. Aber was das alles mit Hamburgs Amateurkickern zu tun hat? Nun, wenn man es sich ganz einfach machen will, dann könnte man sagen, dass hier und da derzeit – auf der Zielgeraden so kurz vorm Ende der Saison – mancherorts die Seele von der Angst gefressen wird. Von der Angst, seine Ziele nicht zu erreichen. Von der Angst abzustürzen. Angst ist nun wahrlich kein guter Begleiter. Sie hemmt.

Der „Worst case“: Verspielt der AFC am Ende alle Ziele?

AFC-Präsident Dirk Barthel machte sich nach Pokal-Aus Sorgen um das Altonaer Auftreten in der Aufstiegsrunde zur Regionalliga. Foto: KBS-Picture

Nehmen wir – Berkan Algan möge das dem Schreiber dieser Zeilen verzeihen – doch als erstes Beispiel mal Altona 93. Auch wenn Präsident Dirk Barthel nach dem ODDSET-Pokalspiel vom vergangenen Montag sagte, dass für ihn die Meisterschaft nie so entscheidend war: Als Fußballer will man am Ende oben stehen, sich über Titel definieren und sich daran messen lassen. Liegt so in der Natur des Wettkampfs. Mal ehrlich: Wer will, wenn er zu etwas antritt, am Ende denn nicht der Beste sein? Eine ganz normale Form von Ehrgeiz, die beim einen mehr und beim anderen weniger ausgeprägt ist. Vier Punkte beträgt derzeit der Altonaer Rückstand auf die TuS Dassendorf, die mal wieder den Spitzenplatz in der Oberliga Hamburg inne hat. Gänzlich abgeschrieben ist der Titel (noch) nicht. Dafür aber ist der Traum von der Teilnahme am Pokalfinale ausgeträumt. Weil der AFC bei HR nach der 1:0-Führung allzu teilnahmslos spielte, sprich: den zweiten Treffer einfach nicht nachlegte. Warum?

Haben die Altonaer mit angezogener Handbremse gespielt, weil sie gehemmt waren? Von der Angst, dass sich gegebenenfalls noch ein Spieler verletzt, wenn man sich bis zum bitteren Ende mit vollem Einsatz und jeglicher Kraft reinschmeißt? Oder war da in den Köpfen die Angst, nach einer möglicherweise ja bereits verspielten Meisterschaft sich auch im Pokal zu blamieren? War der Druck zu groß? Das Phänomen des großen „Goliath“ gegen den kleinen „Underdog“ David lässt grüßen. Wenn man es provokant formulieren will: Eineinhalb Ziele hat der AFC in dieser Saison bereits verspielt. Das größte aber hat man noch vor Augen: die Aufstiegsrunde zur Regionalliga. Angesichts eines Vorsprungs von acht Punkte auf Cordi, dem bekanntlich anderen Hamburger Oberligisten, der gemeldet hat, sollte – nein, ich lege mich fest: wird man dieses erreichen.

Schnelsen und Lurup – oder: Wenn man nicht liefert, ist man geliefert

Der Mann für den Neuaufbau in Lurup: Selcuk Turan. Foto: KBS-Picture

Was aber dann? Wirkte der AFC in den letzten Wochen und Monaten mannschaftlich im Vergleich zum Vorjahr, wo den AFC in letzter Sekunde das bittere Aus im Regionalliga-Rennen ereilte, gereift, so geriet sie zuletzt ein wenig mehr ins Schlingern, als es den „Machern“ an der Adolf-Jäger-Kampfbahn lieb war. Präsident Barthel erklärte nach dem Pokal-Aus bei HR sogar, dass es mit einer Leistung wie der vom Montag „für uns keine Möglichkeit gibt, in die Regionalliga aufzusteigen.“ Sehr richtig. Doch es ist vielleicht nicht nur die Angst, am Ende keines von drei Zielen zu erreichen, die über dem AFC schwebt. Nein, auch die Verletzungssorgen tun ihr Übriges. Berkan Algan wird nicht müde, darauf hinzuweisen und hat damit recht. Irgendwie aber auch wieder nicht. Denn: Dass es im letzten Drittel der Saison wegen der großen Belastung, Wehwehchen und Ausfällen kommt – dieses schwere Säcklein haben auch andere zu tragen. Dennoch: Man kann dem AFC für die Aufstiegsrunde nur die Daumen drücken. Ein weiterer Regionalligist wäre doch was schönes. Auch wenn Alona 93 der Oberliga fehlen würde. Aber allein schon, um das Drama aus dem letzten Sommer vergessen zu machen, hätte es der AFC verdient.

Von Zielen wie denen, die sie in Altona haben, sind andere Clubs derzeit weit entfernt. Germania Schnelsen etwa. Oder der SV Lurup. Zwei Clubs, die einst für Klasse und Tradition standen, davon inzwischen aber längst so weit entfernt sind, wie der Mond von der Erde und vielmehr nur noch Hohn und Spott hervorrufen. Das Tagesgeschäft Fußball, in dem man geliefert ist, wenn man nicht liefert, hat beide Clubs eingeholt. In Schnelsen regiert das Chaos: Das ganze bekannte andere Theater mal außen vor gelassen. Zog zuletzt nach dem Rücktritt von Liga-Manager Dieter Lehmann auch Michael Stegemann seine Konsequenzen und verabschiedete sich, weil man für die kommende Saison eh nicht mehr mit ihm plane, nach 20 (!) Jahren treue zum Verein. Nun macht der Verein aktuell mit einem Regelverstoß – egal ob nun auf bewusster Täuschung oder Unwissenheit basierend – von sich reden. Auch in Lurup ist man das Chaos gewohnt: hier und da ein Trainerwechsel und – weil's immer noch nicht läuft – den nächsten gleich hinterher. Obendrauf jede Menge Niederlagen und am vergangenen Wochenende nun die klarste „Klatsche“ die der Oberliga-Absteiger auf seinem Durchmarsch in die Bezirksliga in dieser Saison in der Landesliga Hammonia hinnehmen musste.

Der Unsinn eines Relegations-Spiels am „Tag der Amateure“

Ein Relegations-Spiel am „Tag der Amateure“? HFV-Präsident Dirk Fischer betrachte diese Konstellation bereits als problematisch. Foto: KBS-Picture

Klingt alles nicht schön und tut manchem Ur-Luruper sicher auch in der Seele weh. Doch – anders als in Schnelsen, wo derzeit Björn Laubinger die Landesliga- und die Kreisliga-Mannschaft in Personalunion coacht – in Lurup sind sie immerhin schon mal einen Schritt weiter. Einen Schritt auf dem Weg „Zurück in die Zukunft“, wenn man so will. Denn: Auch wenn man sich auf den ersten Blick fragt, warum sich ein so gestandener Landesliga-Trainer wie Selcuk Turan nach sieben Jahren in Schenefeld die „Mission Lurup“ antut, macht das ganze beim zweiten Hinsehen Sinn: „Sella“ hat Kontakte, er weiß, was er tut, bringt ein „Team abseits des Teams“ mit zum SVL und – was das wichtigste ist: er bringt neue Spieler mit und hat entsprechende Kontakte, um weitere Akteure zu ködern. Das Gerüst für einen Neuaufbau steht, jetzt geht es an den Feinausbau und die Bestückung des Baus mit entsprechendem Interieur.

Abschließend seien noch ein paar Worte zum ODDSET-Pokalfinale erlaubt: Ja, es kann – ein Norderstedter Sieg bei Cordi am heutigen Mittwochabend vorausgesetzt – tatsächlich der Fall sein, dass es ein Hamburger Finale ohne einen „echten“ Hamburger Verein gibt. Das aber ist ebenso wenig ein Skandal wie die Tatsache, dass sich bereits die Ersten beschweren, die SV Halstenbek-Rellingen sei ein völlig unattraktiver Finalist, der zu wenig Zuschauer mitbringt, um das Stadion an der Hoheluft zu füllen. Nein, der große Irrsinn dieses Finales ist es, dass es der Deutsche Fußball-Bund tatsächlich geschafft hat, das Relegations-Hinspiel des Bundesliga-Drittletzten gegen den Dritten der Zweiten Liga genau auf den 25. Mai, den „Tag der Amateure“, an dem etliche Landesverbände ihr Pokalfinale ausspielen, zu datieren. Zeugt von wenig Weitsicht und davon, dass dem Profi-Fußball die Amateure augenscheinlich doch egal sind. Es wäre wenig wünschenswert, wenn – gesetzt der HSV spielt in der Relegation – ein solches Spiel einem Finale zusätzlich Zuschauer klaut. Aber vielleicht kommt ja noch irgendwer auf die Idee, das HSV-Spiel im „Public Viewing“ nach dem Finale an der Hoheluft zu zeigen...

Jan Knötzsch