„Wir sind am Tiefpunkt“: Buchholzer Sieg sorgt für Frust bei „unterirdischem“ VfL

Gäste aus der Nordheide gewinnen in Pinneberg mit 3:0

14. Oktober 2017, 18:18 Uhr

Auf dem Boden der Tatsachen: Jan-Hendrik Kaetow (vo.) und der VfL Pinneberg unterlagen Andreas Metzler und dem TSV Buchholz. Foto: KBS-Picture

Wie es um seine Laune bestellt sei, wollte Simon Beecken nicht sagen. Nach dem Spiel, sagte der Liga-Manager des TSV Buchholz, noch vorm Anpfiff, wäre der richtige Zeitpunkt dafür und lächelte. Etwas mehr als 90 Minuten später war die Laune Beeckens bestens – und das nicht nur bei ihm, sondern im gesamten Kollektiv der Gäste aus der Nordheide. Die hatten zuvor, nachdem sie am gestrigen Abend durch den Sieg des Hamburger SV III gegen den SC Condor auf den letzten Platz der Oberliga-Tabelle abgerutscht waren, soeben den VfL Pinneberg mit 3:0 bezwungen und sind damit wieder etwas mehr auf Tuchfühlung mit den Nicht-Abstiegsplätzen als bisher. Den Platz über dem ominösen Strich hat zwar weiterhin der VfL inne, die Stimmung auf Seiten der Pinneberger aber war am Boden.

Auch Alexander Borck machte keine Ausnahme. Der Offensiv-Akteur der Gastgeber schritt langsam vom Platz. Den Blick etwas gesenkt. „Wir sind ganz unten abgekommen“, erklärte „Schlachter“, wie sie den Mann mit der Nummer elf auf dem Rücken beim VfL Pinneberg nennen freimütig. „Das heute“, so beschied Borck direkt im nächsten Satz. „war unsere schlechteste Leistung in dieser Saison.“ Ein paar Minuten nach Borck verließ auch Thorben Reibe den Rasen an der Fahltsweide. Und die Worte des VfL-Coaches glichen denen seines Spielers nur ein paar Momente zuvor. „Es ist echt schwierig im Moment etwas zu sagen. Ich bin sprachlos“, erklärte Reibe und sagte dann doch etwas: „Das war unterirdisch heute. Wir sind am Tiefpunkt“, so der 35-Jährige, der sich dann aber mühte, doch noch etwas Positives hinterher zu schieben: „Wenn man am Tiefpunkt ist, dann kann es nur noch nach oben gehen.“

Borck: „Das war unsere schlechteste Leistung in dieser Saison“

Der Treffer zum 1:0: Leif Wilke (Zweiter v. li.) drückt den Ball am ersten Pfosten über die Linie. Foto: KBS-Picture

Mit einer ähnlichen Leistung wie im „Kellerduell“ gegen die „08er“ dürfte dies allerdings schwer werden. „Ich verstehe unseren Auftritt heute nicht. Es muss klar sein, dass das ein wichtiges Spiel ist, aber wir kriegen es null hin, das umzusetzen, was wir angesprochen haben. Irgendwie hätten wir zumindest Tugenden wie Leidenschaft und Kampfgeist an den Tag legen müssen. Aber das war gar nichts: Wir haben keine Zweikämpfe gewonnen, wir haben keine zweiten Bälle erobert. Wir hatten keine Bewegung. Ich habe kaum etwas Positives gesehen, Bis auf Lennart Dora und unseren Torhüter Norman Baese hatte keiner annähernd irgendeine Form. Das ist ein Schlag ins Gesicht von meiner eigenen Truppe. Ich bin enttäuscht“, machte Reibe nach dem Schlusspfiff der Begegnung keinerlei Hehl daraus, dass er sich diesen Samstagnachmittag ganz anders ausgemalt hatte und war am Ende sogar „froh, dass ich nicht beim Oktoberfest, das die Mannschaft heute Abend feiert, dabei bin.“

Wie ein Fest dürfte sich derweil für den TSV Buchholz der Auftakt in die Partie angefühlt haben. Der Kick an der Fahltsweide war gerade einmal vier Minuten alt, als André Müller den Ball links fast von der Torauslinie aus spitzem Winkel vor das Gehäuse der Hausherren brachte und dort mit Leif Wilke in der Mitte einen überaus dankbaren Abnehmer fand, der zum 1:0 für die Gäste vollendete. Schon 60 Sekunden zuvor hatte der Torschütze mit einem Freistoß das VfL-Tor unter Beschuss genommen, es da aber noch verfehlt. Pinneberg brauchte bis zur zwölften Minute, eher das Team vorm gegnerischen Kasten etwas zustande brachte: Jan-Hendrik Kaetow schlug den Ball vors Tor, doch dort hatte Marcel Uitz das Pech, dass sich Lukas Kettner klärend in den Schuss warf. Die Gäste hätten derweil kurz vorm Seitenwechsel auf 2:0 erhöhen können, als Jonas Fritz aus dem Mittelfeld heraus auf Müller passte, der sich anschickte, allein auf Baese zuzulaufen. Eigentlich hätte sich der Buchholzer die Ecke, in der er die Kugel versenken wollte, aussuchen können, doch er entschied sich für die ungünstigste aller möglichen Optionen und schoss Baese an.

Schneider: „Wir arbeiten daran, aber die Wende ist noch lange nicht geschafft“

Die Buchholzer feiern André Müller (li.), den Vorbereiter des 1:0 und späteren Schützen des 3:0. Foto:KBS-Picture

Nach dem Seitenwechsel nahm das Niveau im Vergleich zur ersten Hälfte kaum zu. Vieles blieb Stückwerk, sowohl hüben als auch drüben machten Abspielfehler Angriffe zunichte. Nach 62 Minuten kam Pinneberg dann immerhin mal wieder vors Tor, als Borck einen Freistoß von Kaetow vorbei köpfte. Auf der anderen Seite war es dann zunächst Leif Wilke, der Baese per Freistoß prüfte (69.), ehe der eingewechselte Jephter Agyei Antwi für den VfL die größte Gelegenheit besaß: Nach einem Zuspiel von Luis Diaz Alvarez feuerte Antwi den Ball aufs Tor, doch Philipp Wilke flog durch die Luft und parierte (71.). Zwei Mal allerdings sollte das Spielgerät an diesem nachmittag vor der spärlichen Kulisse von fast 100 Zuschauern doch noch im Netz landen. Sehr zum Leidwesen der Gastgeber allerdings in deren Tor.

Erst war es nach 79 Minuten Jonas Fritz, der das 2:0 erzielte: Nach einem Pass aus dem Mittelfeld eilte Jannik Thees auf den Pinneberger Kasten zu und kam im Duell mit Lennart Dora zu Fall. Schiedsrichter Jorrit Eckstein-Staben (SC Wentorf) ließ aber trotz des Zweikampfes im Strafraum, für den man eigentlich hätte Elfmeter geben können, weiterlaufen. Warum – das lag auf der Hand: Eckstein-Staben hatte den Vorteil gesehen, denn Thees war es irgendwie noch gelungen, das Leder zu Fritz zu spitzeln, der den Angriff abschloss. Den Schlusspunkt zum 3:0 setzte der Vorbereiter des ersten Treffers: André Müller bezwang den zuvor zwei Mal siegreichen Baese (82.) und erhielt nach dem Spiel ein Lob von seinem Coach Thorsten Schneider: „Er hat eine hervorragende Leistung gezeigt. Man konnte deutlich sehen, dass er uns in den Wochen vorher gefehlt hat.“

Reibe: „Mit so einer Form steigen wir ab – das muss in unsere Köpfe“

Das ist ja nicht zum Aushalten: VfL-Coach Thorben Reibe konnte beim Auftritt seiner Mannschaft kaum noch hinsehen. Foto: KBS-Picture

Schneiders Laune nach dem Match war überhaupt bestens. „Gewinnen macht immer Spaß“, lachte der Coach der Buchholzer, „aus meiner Sicht hat die leidenschaftlichere Mannschaft gewonnen. Wir waren energischer und hatten den größeren Willen. Das hat sich zum Ende ausgezahlt.“ Natürlich, so Schneider weiter, habe er nach den ausbleibenden Erfolgen der vergangenen Wochen „angefangen zu grübeln, aber wenn ich nicht mehr an uns geglaubt hätte, dann hätte jemand anderes draußen an der Linie gestanden. Heute hat es wunderbar geklappt: Wir erzielen mit der ersten Chance das erste Tor und müssen eigentlich noch vor der Pause schon das zweite nachlegen. Pinneberg hatte zwar keine Chancen, aber man fragt sich schon, wie die Mannschaft reagiert, wenn mal einer durchrutscht.“ Da genau dies aber ausblieb, konnte Schneider nach der Begegnung konstatieren: „Wir arbeiten daran, dass das heute die Wende war, aber die Wende ist noch lange nicht geschafft.“

Thorben Reibe hingegen fand noch mehr klare Worte als die, mit denen er sein Statement nach dem Spiel eröffnet hatte. „Ich frage mich schon, woran unsere Situation liegt. Dass die Mannschaft gegen mich spielt, kann ich mir nicht vorstellen. Aber ich bin ratlos. Dass wir keine Spitzenmannschaft sind, ist klar, wir haben allerdings genügend Qualität, dass wir nicht solche Spiele wie in den letzten Wochen abliefern dürften“, bilanzierte der VfL-Trainer und ergänzte: „Wir spielen im Moment katastrophal und brauchen jemanden, der das Spiel an sich zieht und Ideen entwickelt, wenn mit Borck und Kaetow unsere Waffen, die den Unterschied machen können, nicht im Spiel sind. Wenn die nicht funktionieren, finden wir keine Lösungen nach vorne. Es ist aber auch eine Frage des Willens.“ Was mit Willen geht, habe Buchholz gezeigt, sagte Reibe, der abschließend schonungslos ehrlich feststellte: „Mit so einer Form steigen wir ab. Das muss in unsere Köpfe. Wir haben zwar die Qualität, 45 Punkte zu holen, aber nur, wenn wir in jedem Spiel alles auf den Acker bringen, Sobald ein paar Prozent fehlen, gewinnen wir keine Spiele.“

Jan Knötzsch 

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