Prophet Pieper wird widerlegt: Remis beim Surfen im „Wellenbad der Gefühle“

Condor und BU treffen jeweils dreifach und punkten dadurch nur einfach

07. Oktober 2017, 00:20 Uhr

Lag mit seinem Tipp daneben und ärgerte sich über zwei verlorene Punkte: BU-Trainer Frank Pieper-von Valtier. Foto: KBS-Picture

Hin und her, auf und ab – das Oberliga-Spiel zwischen dem SC Condor und seinem Gast, dem HSV Barmbek-Uhlenhorst, war für die neutralen Zuschauer am Berner Heerweg ein Augenschmaus. Angriffe hüben wie drüben und am Ende ein 3:3 – Fußball-Herz, was willst du an einem Abend, an dem die Temperaturen herbstlicher werden, mehr, als wenigstens die wohlige (Herz)-Wärme eines Offensivspektakels. Mindestens zwei Herren aber hatten am Ergebnis am Ende hier und da aber doch etwas auszusetzen: die beiden Trainer. Und einer davon lag auch noch richtig daneben...

Bleiben wir erstmal bei der Sache mit der Wärme. Frank Pieper-von Valtier, den Coach der Gäste, kann man sich mit ein bisschen Fantasie auch am Strand auf einen Surfbrett vorstellen. Die lockere Leichtigkeit und die wilde Lockenpracht, die ihm schon so manchen Vergleich mit Ex-Abwehrgröße Carlos Puyol einbrachte – kurzum: Pieper in der Rolle des sympathischen „Sunnyboys“, das passt. Doch in der Halbzeit des Spiels versuchte sich der BU-Coach in einer ganz anderen Rolle. In der des Propheten. „Als ich hier her gefahren bin, hatte ich das Gefühl, es geht 5:5 aus, jetzt sage ich: Wir gewinnen hier mit 4:2“, erklärte er vor den zweiten 45 Minuten – und lag am Ende gründlich daneben. Weil die Akteure auf dem Platz surften. Vom einen in den anderen Strafraum. Hin und her. Auf und ab eben. Es war nicht (nur) das viel zitierte Wechselbad der Gefühle. Nein, es war ein richtiges „Wellenbad“, das die 140 Zuschauer und beide Seiten gleichermaßen erlebten.

Condor macht den Sack nicht zu und BU zeigt Moral

Janis Korczanowski blieb im Sturm der Barmbeker ohne Erfolg. Foto: KBS-Picture

Stürzen wir uns also waghalsig direkt mitten rein ins Getümmel und reiten nach und nach noch einmal die Wellen dieses Spiels ab: Los ging's mit Jannick Martens, der den Ball aus der eigenen Hälfte auf der rechten Bahn nach vorn schlug, wo sich Nico Weiser mit vollem Körpereinsatz – aber fair – gegen Widersacher Yannik Lux behauptete, im Strafraum einen Haken schlug und so BU-Keeper Kaspars Plendiskis aussteigen ließ. Der Rest war Formsache: Weiser schoss zum 1:0 ein (9.). Michel Blunck hätte für die „Raubvögel“ nur zwei Minuten später bereits erhöhen können. Bis dies dann doch geschah, vergingen aber noch einmal weitere sieben Minuten. Dann war es in der 18. Minute nicht Blunck, der traf, sondern André Kossowski. Nach einer Ecke von Gökhan Iscan segelte der Ball in den BU-Strafraum, wurde verlängert und fand dann irgendwie seinen Weg zu „Kosso“, der die Kugel schließlich im Gehäuse versenkte. Anschließend hätte Condor den berühmten Sack zumachen können, doch stattdessen glitt selbiger dem SCC nach und nach mehr und mehr aus den Händen, weil nach 21 Minuten erst Weiser an Plendiskis scheiterte und der Schlussmann der Barmbeker es in der gleichen Szene beim Nachschuss von Iscan auch noch schaffte, das Spielgerät an den Querbalken zu lenken.

Und so nahm der Rest des ersten Durchgangs einen ganz anderen Verlauf: Die führenden Hausherren ließen BU auf einmal mehr und mehr Ballbesitz. Hatte Niklas Müller-Leitloff in der 32 Minute noch Abschlusspech, als sein Schuss drüber ging, so lag der Ball vier Zeigerumdrehungen später im Netz der Gastgeber. Tolga Odabas hatte zunächst aus 30 Metern kraftvoll abgezogen, Sascha Kleinschmidt im Condor-Kasten konnte den Ball nicht festhalten, sondern ließ ihn nach vorn prallen. Chris Heuermann war zur Stelle, sagte danke und brachte BU auf 1:2 heran. Und weil das so gut geklappt hatte, war Heuermann zwei Minuten später gleich nochmal da: Sebastian Clausen spielte den Ball links lang auf Leon Schulz, der ihn von der Außenlinie wieder nach innen passte. Janis Korczanowski verpasste, doch dafür feuerte Odabas die Kugel aufs Tor. Kleinschmidt parierte, dann hatte Kevin Lange seine Füße im Spiel, bediente Heuermann – und es hieß 2:2 (38.). Binnen zwei Minuten hatte BU das Board also wieder bestiegen und sich mit zwei Angriffswellen ins Spiel zurück geritten. Korczanowski hätte – bedient von Schulz – vier Minuten vor der Pause beinahe noch für die Führung der Gäste gesorgt, fand aber in Kleinschmidt seinen Meister.

Pieper-von Valtier: „Das sind zwei verlorene Punkte“

Was willst du da machen? Condors Mike Theis wurde beim 3:3 angeköpft und traf ins eigene Tor. Foto: KBS-Picture

Damit auf in Durchgang zwei: Zu dessen Beginn „verdaddelte“ Iscan den Ball gegen Korczanowski, hatte aber das Glück, dass dieser haarscharf am Tor vorbei zielte (49.). Statt der Bambeker ging Condor in Führung. Sieben Minuten nach der BU-Chance gab es einen Einwurf für die „Raubvögel“, den Mike Theis zu Martens beförderte. Der erfreute sich zwar der Gesellschaft von gleich drei Gegenspielern, von denen es aber keiner für nötig hielt. Condors Nummer neun zu attackieren und den Angriff vielleicht zu unterbinden. Das Ende vom Lied: Martens traf zum 3:2 ins kurze Eck. Condor hätte – Duplizität mit dem Geschehen in der ersten Halbzeit – anschließend erneut für klare Verhältnisse sorgen können, verpasste aber abermals die (Vor-)Entscheidung: Nachdem Weiser im Anschluss an ein Anspiel von Blunck den Turbo einschaltete, kam er zum Schuss, traf aber nicht ins Schwarze, sondern an den Pfosten (59.). Und, sie ahnen es schon, liebe Leser: stattdessen schlug die Kugel auf der anderen Seite im Netz ein. Nach 63 Minuten setzte sich Schulz durch, flankte von links lang ins rechte Drittel des Strafraums, wo Lange in Richtung Tor köpfte. Der Ball flog mit Tempo auf Condors Mike Theis zu, prallte von ihm ab und landete im eigenen Tor – 3:3.

Schluss aber war damit noch lange nicht, denn die munteren Ritte Richtung Tor gingen weiter. Auf beiden Seiten. Nach 69 Minuten war es Martens, der im BU-Sechzehner angespielt wurde, auf engstem Raum zwei Widersacher narrte und den Ball dann mit der Pike auch noch gefährlich auf den Kasten brachte. Ein Glück für die Gäste, dass ihr Schlussmann Plendiskis zum wiederholten Male an diesem Abend klärend eingreifen und die Situation so entschärfen konnte. Plendiskis' Vorderleute hatten in der Offensive auch noch etwas im Köcher. Erst setzte sich Clausen acht Minuten vor Ultimo kurz hinter der Mittellinie in der Condor-Hälfte gegen gleich zwei Gegenspieler durch und legte für Niklas Sabas vor, dessen Flanke bei Pascal El-Nemr landete, der allerdings etwas zu hoch zielte (82.). In der Schlussminute war es dann El-Nemr, der als Vorlagengeber fungierte und einen Ball in den Strafraum flankte, der an der Brust von Korczanowski abtropfte und – weil dieser nicht nochmal richtig an die Kugel kam – vom eingewechselten Mohamed Labiadh nicht zum 4:3 für BU verwertet werden konnte.  

Woike: „Das sind alles keine Gegentore, die uns aufgedrängt wurden“

2:0 und 3:2 geführt und doch nur ein Remis geholt: Condor-Coach Christian Woike. Foto: KBS-Picture

„Wenn ich mir ansehe, dass wir am Ende eine Vielzahl an Möglichkeiten haben und uns nicht belohnen und auch in der Summe mehr Torchancen hatten, dann sind das zwei verlorene Punkte“, bilanzierte BU-Coach, Frank Pieper-von Valtier nach dem Abpfiff, „wir müssen nach der Halbzeit das 3:2 machen. Stattdessen bekommen wir ein völlig unnötiges Tor zum 2:3, das so nie fallen darf. Ein Condor-Spieler setzt sich gegen drei unserer Spieler durch und Kaspars (Plendiskis, Anm. d. Red.) kommt auch noch zu spät. Ihm kann man aber in dem Moment keinen Vorwurf machen. Er hat uns vorher mehrfach im Spiel gehalten.“ Immerhin: „Die Moral bei uns hat gestimmt. Wir sind bei 0:2 und 2:3 jeweils noch einmal zurückgekommen“, sagte Pieper-von Valtier, der sich bei der Antwort auf die Frage, warum seine Mannschaft in den ersten 20, 30 Minuten quasi völlig hinterher hinkte, einer Portion Sarkasmus bediente: „Ich glaub', die dachten, dass das ein Heimspiel ist“, so der Coach der daheim noch sieglosen Barmbeker, die in der Endphase der Partie Benjamin Lipke einwechselten, der nicht auf dem Spielbericht stand: „Das wird aber keine Folgen für die Spielwertung haben“, war sich Pieper-von Valtier sicher, „wir hatten ihn erst drauf, weil wir acht Ersatzspieler dabei hatten und abwarten wollten, was mit El-Nemr und Korczanowski ist, die angeschlagen waren. Dann haben wir einen Spieler gestrichen. Ich rechne mit einer Geldstrafe wegen eines Formfehlers.“

Christian Woike war sich derweil noch nicht ganz sicher, wie er den einen Zähler denn nun beurteilen wollte. „Aufgrund der ersten halben Stunde der ersten und den ersten 20 Minuten der zweiten Hälfte sind es zwei verlorene Punkte, Wenn ich mir dann aber allein die letzten fünf Minuten ansehe, ist es ein gewonnener“, sagte Condors Coach und erklärte dann: „Am Ende des Tages ist es ein gerechtes Ergebnis von den Spielanteilen und den Chancen her.“ Aus Woikes Sicht gab es in der Partie „zwei Kipp-Situationen: Wir müssen in der ersten Hälfte das 3:0 machen. In der zweiten Hälfte haben wir beim Stand von 3:2 einen Pfostentreffer. Das wäre das 4:2 gewesen.“ Hätte, wäre, wenn – so aber musste Woike nach dem Remis das Zustandekommen der Gegentreffer kritisieren: „Beim ersten lässt der Torwart den Ball nach vorne abprallen, beim zweiten erlauben wir dem Gegner drei Mal zu spielen und schießen uns beim Klären zwei Mal selbst an. Und beim dritten wird Theis angeköpft. Das sind alles keine Tore, die uns aufgedrängt wurden, sondern Treffer, die wir dem Gegner aufgedrängt haben. Wir selbst haben unsere Chancen nicht gut genug genutzt, das ist ärgerlich.“ Dennoch hatte „Crille“ auch Erfreuliches gesehen: „Wir haben nach drei Niederlagen den Negativlauf durchbrochen. Ein Punkt gegen die zweitbeste Auswärtsmannschaft der Liga ist nach dem Spielerverlauf in Nordnung, auch wenn wir uns mehr erhofft haben. Warum wir nach dem 2:0 nicht richtig weitermachen, weiß ich nicht. Vielleicht, weil wir die Situation, 2:0 zu führen nicht kennen und Angst vor der Courage oder dem Gewinnen haben.“

Jan Knötzsch 

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