Rabenhorst-Debüt misslingt - aber Vicky "schwimmt" nach 2:0-Führung "nur noch mit"

"Der HSV hatte mehr vom Spiel - das kann nicht unser Anspruch sein!"

07. Oktober 2017, 00:17 Uhr

Marcus Rabenhorst (li.) gab an der Seitenlinie ein "ruhiges" Debüt für den HSV III und hatte nicht viel auszusetzen. Das Spiel gab sogar ein kleines Pläuschen mit Ex-Teamkollege Marius Ebbers her.

Um 17:54 Uhr, knapp zwei Stunden vor Beginn des Spiels gegen den SC Victoria, trudelte die Pressemitteilung ein: „Trainerwechsel bei HSV III – Marcus Rabenhorst übernimmt kommissarisch Traineramt von Felix Karch“, hieß es darin. Ein Zeitpunkt, der sicherlich kaum ungünstiger hätte sein können. „Das liegt in der Verantwortung der Offiziellen“, wollte Karch-Nachfolger Marcus Rabenhorst nach jener Partie nicht ins Detail gehen, als er auf den durchaus unglücklichen Zeitumstand angesprochen wurde. Während Karch, der den Verein binnen zweieinhalb Jahren aus den Niederungen der Bezirksliga bis in Hamburgs höchste Spielklasse führte, unter den Zuschauern weilte, hielt die sportliche Talfahrt der „Rothosen“ weiter an – wenngleich das Auftreten gegen den Tabellenzweiten durchaus ein Mutmacher war.

„Ich glaube, dass ich da der falsche Ansprechpartner bin. Fragt die Verantwortlichen, wie es dazu kam. Mehr kann ich dazu nicht sagen…“, so Marcus Rabenhorst. Worte, die zur aktuellen Situation beim Hamburger SV III passen. Eine wirkliche Erklärung, wieso und weshalb es zum Trainerwechsel kam, gibt es nach wie vor nicht. Auch Felix Karch wollte sich nicht zu den Gründen äußern. Ist es allein die sportliche Talfahrt? Oder waren es die deutlichen Worte des nun Ex-Trainers, der seine Mannschaft nach dem Osdorf-Spiel wachrütteln und ihr neues Leben einhauchen wollte, die ihm den Job kosteten? „Wir sind im Fußball. Das darf man sich auch nicht immer zu sehr zu Herzen und persönlich nehmen. Ich kenne das so, dass es manchmal so läuft – und glaube, dass da keiner aus Zucker ist und sich nun persönlich beleidigt oder angegriffen fühlt und jetzt drei Wochen vergraben möchte. Das muss man so nehmen, wie es kommt – und daraus auch etwas für sich mitnehmen. Er hatte ja inhaltlich auch mit einigen Dingen recht. Das ist nicht von der Hand zu weisen“, gestand Kapitän Timo Trefzger ganz offen nach der Begegnung. Fakt ist, dass einige Fragezeichen bleiben...

Vicky "schwimmt" nach früher 2:0-Führung nur noch mit

HSV III-Interimscoach Marcus Rabenhorst instruiert Hannes Steckel (li.).

Kommen wir zum Sportlichen: In den ersten 20 Minuten musste man als Anhänger des HSV III das Schlimmste befürchten. Nachdem der Gast von der Hoheluft schon in der Anfangsphase gute Chancen ausließ, sorgte ein Doppelschlag für eine schnelle und scheinbar beruhigende 2:0-Führung: Erst köpfte Klaas Kohpeiß eine Ecke von Dennis Bergmann clever in den Rückraum, wo André Monteiro Branco wartete und den Ball aus 14 Metern in den linken Giebel jagte (14.)! Dann erhöhte Nick Scharkowski, der ansonsten im Abschluss keinen glücklichen Abend erwischte, als Hausherren-Fänger Jan Haerting einen Schuss von Len Aike Strömer ganz unglücklich fallen ließ (20.)! Aber: Vicky hätte sich auch nicht beschweren dürfen, wenn die „Rothosen“ kurz zuvor den Ausgleich erzielt hätten, als Damian Ilic, der ein starkes Spiel machte und sich gegen die drohende Niederlage stemmte, von links flankte und Sören Ostermann am zweiten Pfosten zum Kopfball hochstieg. Zwar misslang dieser gründlich, doch die Situation blieb heiß und Ostermann durfte es nochmal mit dem Fuß versuchen – allerdings scheiterte er an Victor Medaiyese, wie auch Christopher Mann (Neuzugang aus Schweden) im nächsten Anlauf.

Zwar kam die Richter-Elf auch in der Folge zu weiteren Chancen, gleiches galt aber auch für den HSV III. Erst vergab Ostermann, der in den letzten zehn Minuten vom eigenen Anhang mit einem eigens kreierten Song dauerhaft gefeiert wurde. Nach Trefzger-Vorarbeit relativ freistehend kläglich. Dann versemmelte Andy Akoteng-Bonsrah – ebenfalls ein absoluter Aktivposten – nach Ostermann-Vorlage die Riesenmöglichkeit zum 1:2, als er aus 14 Metern rechts am Knick vorbei zielte. „Wir haben viel Ballbesitz, dominieren die Partie und machen zwei Tore aus Aktionen, die wir nicht mal als unsere besten Torchancen ansehen dürfen. Aber nach einer guten halben Stunde haben wir die Zielstrebigkeit und Genauigkeit verloren, hatten viele Fehlpässe – und haben auch in der zweiten Halbzeit weniger gemacht, uns dem Spiel ergeben und sind so ein bisschen mitgeschwommen“, analysierte ein alles andere als zufriedener Richter.

"Der HSV hatte mehr vom Spiel - das kann nicht unser Anspruch sein"

Der krisengebeutelte Oberliga-Neuling witterte Morgenluft und die Chance, mit etwas Glück vielleicht doch noch eine kleine Aufholjagd zu starten. Sicherlich auch, weil der SCV nur noch das Allernötigste tat. Dennoch hätte man ein ums andere Mal dem Gegner endgültig den Garaus machen können. Doch entweder fehlte die letzte Überzeugung im Abschluss oder aber Jan Haerting stand einem weiteren Torerfolg der Gäste im Weg. Auf der anderen Seite musste Medaiyese direkt nach Wiederanpfiff einen Ilic-Freistoß. der an Freund und Feind vorbei huschte, aus dem Eck holen (46.), ehe er einen Ostermann-Kopfball problemlos entschärfte (59.) und einen Ilic-Schuss - nach herausragendem Zuspiel von Akoteng-Bonsrah - zur Seite wegfaustete (62.). „Wir hatten noch die eine oder andere Chance, aber der HSV hatte dann auch etwas mehr vom Spiel gehabt, was nicht unser Anspruch hätte sein dürfen“, fand Richter klare Worte. „Es ist schade, dass wir über 90 Minuten deutlich mehr Chancen zugelassen haben, als in den letzten beiden Spielen zusammen.“ Und eine weitere brachte dann tatsächlich nochmal kurzzeitig Spannung ins Spiel: Der Ex-Victorianer Torben Wacker bediente nach seinem Vorstoß den eingewechselten Jendrik Bauer. Dieser leitete herrlich aus der Drehung in die Schnittstelle weiter, in die Akoteng-Bonsrah startete und mit der rechten Fußspitze ins kurze Eck vollendete - 1:2 (89.)! In der Nachspielzeit probierten es die „Rautenträger“ zwar noch einmal, aber Keeper Haerting verhinderte mit einem unglaublichen Reflex gegen Scharkowski noch das dritte Gegentor. Es blieb schlussendlich beim knappen Vicky-Sieg.

"Ich bin nicht überrascht, nur ein bisschen enttäuscht"

Trotz der Niederlage gab es nach dem Spiel reichlich Beifall für die "Rothosen".

Auf die Frage, wie seine Mannschaft auf die Entscheidung in Sachen Trainerwechsel reagiert habe, entgegnete Rabenhorst anschließend: „Wie man gesehen hat, nicht so schlecht. Ich denke, es war eines unserer besseren Spiele – gerade gegen so einen Gegner wie Victoria. Es war eine gute Antwort von der Mannschaft – auch wenn’s für sie vielleicht überraschend kam.“ Seine Einstimmung auf das Spiel - ausgerechnet gegen den Klub, wo Rabenhorst jahrelang große Erfolge feierte: „Letztendlich habe ich versucht, die Mannschaft genauso auf das Spiel vorzubereiten, wie Felix es in der Vergangenheit gemacht hat. Klar ist, dass der eine oder andere Satz etwas anders aussieht. Aber man versucht, die Jungs so einzustimmen, dass sie eine vernünftige Leistung abrufen können.“ Das ist der Mannschaft gelungen - auch wenn sie erneut ohne Punkte dastand. Trotz dessen feierten die Fans ihre Truppe nach Spielschluss. Währenddessen bilanzierte Richter: „Der dritte Sieg in acht Tagen – es hätte schlimmer sein können. Die Art und Weise war im Allgemeinen zwar nicht so wie gewünscht - gar nicht mal vom Ergebnis her, sondern eher das, was wir nicht gemacht haben, ist das Schlimme. Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen, dass wir trotzdem viele gute Aktionen über 90 Minuten hatten. Deshalb darf man sich über die drei Punkte auch verdient freuen – auch wenn es doch sehr zäh war. Aber es ist auch mal wichtig, zu sehen, dass eben nicht alles von selbst läuft. Das gehört zu einer Entwicklung dazu. Ich bin nicht überrascht, nur ein bisschen enttäuscht, dass wir hintenraus so wenig von dem umgesetzt haben, was wir eigentlich können.“ Bedenken habe er nach dem späten 1:2 nicht gehabt, aber „kippen kann so ein Spiel immer mal – vor allem, wenn man gesehen hat, wie unsere Körpersprache nachgelassen hat. Darauf arbeiten wir hin, wieder mehr Stabilität reinzubekommen.“

Autor: Dennis Kormanjos