ASV stark, aber Barsbüttel belohnt sich mit „Dreckssieg“

Nestorovic: „Wir befinden uns auf dem richtigen Weg“

02. September 2017, 20:30 Uhr

Er brachte seine Barsbütteler mit einem Doppelpack in der ersten Halbzeit auf die Siegerstraße: Patrick Piechowski (Nr. 24). Foto: Mathias Merk

Einen Saisonstart nach Maß hat der Barsbütteler SV sicher nicht hingelegt – und dann mussten die Rot-Weißen auch noch zum ASV Hamburg reisen, der mit einem Sieg bis auf den zweiten Tabellenplatz hätte klettern können. Zudem stellte sich das BSV-Team im Sommer komplett neu zusammen, weshalb anzunehmen war, dass sie sich noch in einer Art Findungsphase befanden. Dieser Gedanke konnte jedoch nach dem Auftritt an der Snitgerreihe wieder ad acta gelegt werden. Denn nach einer dominierenden ersten Halbzeit folgte gegen einen immer stärker werdenden ASV gemeinschaftlicher Kampf- und Teamgeist, was letztlich zum Auswärtssieg führte.

Marcel Bannenberg (vorne) schrie nach dem Spiel eine Freude heraus. Foto: Mathias Merk

Nachdem der Schlusspfiff an der Snitgerreihe ertönte, rannte der Barsbütteler Defensivspieler Marcel Bannenberg zur Auswechselbank, ballte die Siegerfaust und schrie seine Erleichterung heraus: „Was ein scheiß Sieg, so ein Dreckssieg – aber geil!“ Bannenberg klatschte sich mit der Bankbesetzung ab und brachte es mit dieser Äußerung genau auf den Punkt. Denn nach einer von Barsbüttel gut geführten ersten Halbzeit, in der das Team des Trainergespanns Zoran Nestorovic und Murat Gülec die bessere Mannschaft war, stellte sich der Spielverlauf nach dem Seitenwechsel auf den Kopf, weshalb es der BSV letzten Endes nur über Kampf- und Teamgeist schaffte, gegen einen anrennenden ASV zu bestehen. 

Wadhwa: „Die Leistung in der ersten Halbzeit nehme ich auf meine Kappe“

In der ersten Halbzeit vergab scheiterte Demba Jassi zweimal am gegnerischen Keeper und einmal am Aluminium. Später traf er doch noch. Foto: Mathias Merk

Zunächst war das, was beide Teams auf dem Platz ablieferten, eher ein Abtasten. Deshalb gewann die Partie erst ab der 24. Minute an Fahrt. Bis dahin verbuchten die Gäste zwar mehr Ballbesitz für sich, konnten dies aber in der Anfangsphase zunächst nicht nutzen, was jedoch aufgrund der höheren und taktisch besseren Spielanteile verdient gewesen wäre, auch wenn ASV-Stürmer Demba Jassi zunächst mit zwei Großchancen am sehr stark parierenden Torwart Krister Finnen scheiterte (24. und 27.). Aber auch die Barsbütteler kamen zu ihren Gelegenheiten, doch Dennis Kubista scheiterte ebenfalls an einer Glanzparade des gegnerischen Keepers Shahin Ahmadi (26.).

In dieser Phase gab es abwechselnd auf beiden Seiten Gelegenheiten im Minutentakt, was Patrick Piechowski für die Gäste am besten nutzte, als er auf der linken Außenbahn den Ball am Fuß hielt, kurz nach innen zog und einfach mal aus gut und gerne 27 Metern abzog. Der Ball flog lange halbhoch in der Luft, sodass sich ASV-Schlussmann Ahmadi klein machen und den Ball annehmen konnte. Allerdings bekam der Torwart die Kugel nicht so unter Kontrolle, wie er wollte, weshalb das Leder tatsächlich durch seine Hosenträger flutschte und über die Linie flog – 1:0 für die Gäste (28.)! „So etwas kann passieren. Das ist menschlich. Dafür kann ich Shahin keinen Vorwurf machen. Das Einzige was wir uns für die erste Hälfte vorwerfen können, ist, dass wir nicht wirklich Fußball gespielt haben. Den Rest nehme ich auf meine Kappe“, gestand sich ASV-Coach Mohet Wadhwa ein und führte weiter aus, was er sich selbst vorwarf: „Ich habe meinen Jungs das falsche Heft an die Hand gegeben. Die von mir vorgegebene Marschroute, was das Pressing anging, war die falsche. Ich dachte, dass der BSV in der Abwehr ein bisschen hüftsteif ist, worin ich mich aber getäuscht habe. Den Fehler habe ich gemacht, aber auch das ist okay. Denn Menschen dürfen Fehler machen.“

Dennoch kamen seine Mannen vor der Pause noch einmal vor das gegnerische Tor, aber wieder war es Jassi, dem das Glück einfach nicht hold zu sein schien, als er aus zwei Metern nur den rechten Pfosten traf. Besser erging es Piechowski, als er ein punktgenaues Zuspiel in die Nahtstelle von Dennis Kubista verwertete und aus zwölf Metern, halblinker Position, ins lange Eck zum zweiten Tor für sich und sein Team verwertete (40.). Damit ging es mit einer verdienten 2:0-Führung für den BSV in die Pause. „Wir haben in der ersten Hälfte sehr viel investiert. Deshalb konnten wir dieses Tempo nach der Pause nicht mehr so hoch halten“, erklärte Barsbüttel-Trainer Gülec den Leistungsumschwung seiner Truppe, der später zu erkennen war. 

Wadhwa: „Ich habe die Spieler in der Halbzeit an ihrer Ehre gepackt“

Noch vor Wiederanpfiff folgte nach der ersten auch noch die zweite Ansprache von ASV-Coach Mo Wadhwa, in der er seine Spieler „an der Ehre packte". Foto: Mathias Merk

Auf der Gegenseite nutzte Wadhwa die Zeit, um sein Team auf eine andere Taktik einzustimmen: „Wir sind in der Kabine die Fehlerliste aus den ersten 45 Minuten durchgegangen, die aber auch sehr lang war. Anschließend habe ich meine Jungs schon etwas früher wieder auf das Feld geschickt, damit sie noch ein wenig Luft einatmen konnten, bevor es weiterging.“ Dort nutzte der Coach dann nochmal den Moment, bis sich die Gegner auf dem Platz zurückmeldeten, um abermals seine Mannschaft im Kreis auf die restliche Spielzeit einzustimmen. „Da ich die Truppe lieber früher wieder raus schicken wollte, blieb drinnen keine Zeit mehr, um ihnen noch die letzte Motivation mit auf den Weg zu geben. Das habe ich dann nachgeholt und sie nochmal ein bisschen an ihrer Ehre gepackt.“ Genau das schien geholfen zu haben.

Der ASV spielte fortan nämlich wie ausgewechselt. Die Mannschaft stimmte sich im Pressing und Kurzpassspiel sichtlich besser ab, was sofort zu einigen Angriffen und sogar zum schnellen Anschlusstreffer führte: Nach eben solch einem Vorstoß bekamen die Hausherren einen Eckstoß zugesprochen, den Mike Niedermayer hoch in den Strafraum brachte, wo die Kopfballabwehr des BSV nicht druckvoll genug funktionierte, sodass die Pille genau vor die Füße von Jassi fiel. In der ersten Halbzeit scheiterte er noch drei Mal aus kürzester Distanz,jetzt  aber machte er es besser, als er im Strafraumgewühl die Übersicht behielt und aus fünf Metern auf 1:2 verkürzte (49.). Anschließend fand nur noch ein Anrennen auf das Barsbütteler Tor statt. Lediglich Kubista hätte noch einmal gefährlich werden können, doch Viktor Streib war zur Stelle und löste die Situation auf. Ganz anders auf der Gegenseite, wo der ASV einen Angriff nach dem anderen fuhr, aber immer wieder entweder nur ein paar Zentimeter fehlten oder Fänger Krister Finnern seine Arbeit bravourös vollzog.

Der Keeper war es auch, der beim größten Aufreger der Partie Hauptdarsteller war, als er in der 76. Minute viel zu weit vor seinem Tor stand. Im Mittelfeld eroberte Niedermayer das Leder und nutze die Gelegenheit, indem er von Höhe des Anstoßpunktes einen langen Ball über Finnern hinweg in Richtung Tor schoss. Die Kugel senkte sich hinter dem Schlussmann im Strafraum und rollte in Richtung verwaistes Gehäuse. Finnern drehte sich um, rannte dem Ball hinterher und kratzte mit ausgestrecktem Bein in letzter Sekunde die Pille von der Linie. Oder war es doch ein Tor? Schiedsrichter Furkan Cevdet Vardar schaute auf seinen Schiedsrichterassistenten, der ihm signalisierte, dass der Ball nicht vollständig die Linie passierte. Allerdings muss an dieser Stelle gesagt sein, dass sich der Linienrichter nicht wirklich auf der Höhe des Tores befand und somit auch nur aus einem gewissen Blickwinkel heraus entscheiden konnte. 

Nestorovic: „Wir wissen genau, wie gut die Jungs Fußball spielen können“

Der Barsbütteler SV (weiß) warf sich mit allem was zur Verfügung stand gegen einen drohenden Punktverlust. Foto: Mathias Merk

Dies führte zum Ärger der ASV-Spieler, die sich vehement darüber beschwerten, da sie für sich einen Treffer gesehen haben wollten. Der Unparteiische zeigte sich kompromissbereit, nahm den Ball an sich und ging zu Keeper Finnern, um sich eine ehrliche Antwort von ihm abzuholen, ob der Ball nun die Linie überquerte, oder eben nicht. Nach einem Smalltalk gab Schiri Cevdet Vardar das Leder wieder frei. Es war also kein Treffer zum Ausgleich. Coach Wadhwa hielt sich in der Situation absolut zurück und blieb ruhig: „Ich saß viel zu weit weg und hatte einen schlechten Winkel. Weshalb soll ich mich dann also aufregen? Wenn ich es nicht sehen konnte, kann ich auch nicht auf Tor plädieren. So würde ich mich nur unglaubwürdig machen. Darum bin ich ruhig geblieben.“


Was den Fehler des BSV-Keepers anging, war es sein einziger, bei einer sonst überaus starken Leistung. Aber diese Szene war gleichzeitig auch bezeichnend für den zweiten Durchlauf der Gäste. Denn das Einzige, was bei ihnen noch funktionierte, war eine beeindruckende Teamleistung. Sie kämpften und warfen sich den Snitgerreihe-Kickern mit allem, was sie hatten, entgegen, um ihre Führung nicht aus den Händen zu geben. Das war ganz offensichtlich harte Arbeit für die Rot-Weißen, aber genau diese vollzogen sie beachtlich. So kam es zu keinem weiteren Treffer, auch wenn das Heimteam aufgrund der guten Leistung in den zweiten 45 Minuten durchaus ein Unentschieden verdient gehabt hätte. „Das ist Fussi“, fasste ASV-Trainer Wadhwa die Niederlage seines Teams zusammen. „Letzte Woche waren wir beim ETSV die glücklicheren Gewinner, obwohl der ETSV einen Tick besser gespielt hat, heute war es umgekehrt.“ Und auch auf der Gegenseite gab es gewisse, zusammenfassende Vergleiche mit dem errungenen Sieg und der Vergangenheit. Gülec: „In den letzten drei Spielen haben wir echt gut gespielt und doch verloren. Heute war es so, dass wir dafür belohnt wurden. Wir haben nicht so gut gespielt, aber einen Dreckssieg und somit drei Punkte eingefahren, was mit einem guten Kampfgeist des Teams funktionierte.“

Dabei wurde genau diese Truppe zu Anfang der Saison erst neu zusammengewürfelt, weshalb es nicht zwingend normal ist, dass solch eine Teamleistung schon nach ein paar Spielen so funktioniert. Nestorovic dazu: „Wir haben uns den Kader mit diesen Jungs zusammengestellt, weil wir genau wissen, wie gut sie Fußball spielen können. Auch nach den letzten Niederlagen hatten wir kein bisschen Zweifel an der Mannschaft. Wir wissen und sehen, was sie drauf haben. Wenn sie Fehler machen, dürfen sie das, den Weg gehen wir mit und daraus werden sie lernen. Heute haben wir eben auf diese Art und Weise drei Punkte eingefahren. Wir befinden uns auf dem richtigen Weg.“

Alle Höhepunkte zum Nachlesen hier im LIVE-Ticker.

Autor: Mathias Merk