Platzverweis bringt Elstern zu Sturz: "Was soll ich dazu sagen? Das ist traurig!"

Rahlstedts "schöne Momentaufnahme": Aufsteiger grüßt von ganz oben

26. August 2017, 00:54 Uhr

Louis Mandel trug seinen Rahlstedter SC mit zwei Vorlagen und einem Tor zum Sieg und dem Sprung an die Tabellenspitze. Archivbild: noveski.com

„Ich habe vor der Saison schon gesagt: Es kann sein, dass wir auch mal eine Klatsche kriegen. Aber es kommt immer auf die Art und Weise an. Und heute haben wir keine Klatsche gekriegt, wo man sagen kann, dass Bergedorf schlecht war“, sah nicht nur Haken Karadiken eine ordentliche Vorstellung seiner jungen „Elstern“. Das 0:5 beim neuen Hansa-Spitzenreiter aus Rahlstedt spiegelte in kleinster Weise den Spielverlauf wider. Stattdessen stand vor allem eine Entscheidung von Schiedsrichter Martin Pfefferkorn (SC Urania) im Mittelpunkt: „Einem jungen, ehrlichen, 18-jährigen Spieler zu unterstellen, dass er in dieser Szene eine Schwalbe begangen hat, ihn damit aus dem Spiel zu nehmen, und unser Spiel kaputt zu machen: Was soll ich dazu noch sagen?!“

Die zweite Halbzeit war noch keine fünf Minuten alt, als Bergedorfs Serdem Altun - nach einem Reichenbach-Fehlpass im Mittelfeld und einem langen Ball - in den Strafraum eindrang, seinen ersten Gegenspieler stehen ließ und im Duell mit Louis Mandel zu Boden ging. Nach ganz kurzem Zögern blies Referee Pfefferkorn in seine Pfeife. Aber er zeigte nicht etwa auf den Punkt, sondern sah eine Schwalbe des Bergedorfer Angreifers und zeigte diesem den gelben Karton. Da Altun allerdings schon gelbverwarnt war, musste er vorzeitig zum Duschen! „Der Linienrichter bestätigt mir nach dem Spiel selber, dass er ihm nicht die Gelb-Rote Karte gegeben hätte. Daraufhin habe ich ihm gesagt, dass er ja mal etwas hätte sagen können. Dann meint er zu mir, dass der Schiri nun mal so entschieden hat und wohl nicht wusste, dass er schon Gelb hatte. Solche Aussagen gehen einfach nicht. Das ist schon traurig“, befand Karadiken und führte dann aus: „Warum sollte er einfach fallen? Er lässt den ersten Gegenspieler aussteigen und ist frei. Selbst wenn er es nicht pfeift: Er steht sofort wieder auf, hat nichts moniert oder provoziert. Diese Entscheidung hat unser Spiel im Endeffekt kaputt gemacht!“

"Diesmal konnten wir dem nicht hinterherlaufen, diesmal wurde uns das Bein abgeschnitten"

85-Coach Hakan Karadiken konnte sich nicht über die gute Leistung seiner jungen "Elstern" freuen, sondern musste sich vielmehr über eine Schiedsrichter-Entscheidung ärgern. Archivbild: noveski.com

RSC-Coach Alexander Schäfke konstatierte derweil: „Der Platzverweis hat uns in die Karten gespielt.“ Denn: „ Mit dem, was wir davor gespielt haben, können wir nicht zufrieden sein. Das haben wir gegen Dersim und Bramfeld wesentlich besser gemacht. Die erste Halbzeit war viel zu pomadig. Da hatte ich das Gefühl, dass die Jungs nur so viel gemacht haben, wie sie mussten. Da haben wir viel zu viele Chancen zugelassen und hatten Glück.“ Denn 85 zeigte keinesfalls eine schlechte Leistung. Ganz im Gegenteil. Die „Elstern“ spielten mit, waren mutig und zeigten eine gute Vorstellung. Allerdings profitierten sie auch von unzähligen Aussetzern und Konzentrationsschwächen der Rahlstedter. Samet Yazici hatte einige Male viel Zeit, wirkte aber etwas unglücklich im Abschluss. Und Serdem Altun, der später die Segel streichen musste, konnte einen schlimmen Fauxpas von Necmettin Calik nicht in einen Torerfolg ummünzen (28.). Stattdessen bog Rahlstedt schon nach 180 Sekunden auf die Siegerstraße ab, als Ferris Pressel einen Freistoß von Louis Mandel per Kopf verlängerte - 1:0! „Man ist einfach verunsichert, wenn man immer einem Rückstand hinterherlaufen muss - und wir haben wieder ein frühes Tor kassiert. Diesmal konnten wir dem nicht hinterherlaufen, diesmal wurde uns das Bein abgeschnitten durch eine angebliche Schwalbe…“, ärgerte sich Karadiken - und das nicht ganz zu unrecht. Schäfke zur umstrittenen Szene: "Mit ein bisschen Fingerspitzengefühl muss man ihn nicht runterschicken. Ich weiß auch nicht, ob er vielleicht ausgerutscht ist. Aber diese Entscheidungen gleichen sich am Ende aus. Wir hatten gegen Dersimspor fast genau die gleiche Szene."

Karadiken: "Wir hätten sie heute knacken können!"

Schon vor Anpfiff bemängelte Pfefferkorn ein offenbar löchriges Tornetz, weshalb die Partie mit sieben Minuten Verspätung angepfiffen wurde. Während der 90 Minuten sorgten einige Entscheidungen für Diskussionsbedarf - nicht nur jene Szene, die zum Platzverweis führte. Unmittelbar darauf schlug Rahlstedt aus der Überzahl bereits Profit: Ein langer Abschlag von Keeper Patrick Krysiak landete bei Mandel, der von halblinks nach innen zog und Nikolaus Zdasjuk aus 20 Metern im linken unteren Toreck überraschte - 2:0 (52.)! Für Louis Mandel, dessen Bruder Moritz verletzungsbedingt nur auf der Bank Platz nahm, war es der zweite Scorerpunkt in diesem Spiel - für Torhüter Krysiak der erste. „Das 2:0 fiel einigermaßen zum richtigen Zeitpunkt“, so Schäfke. Doch Bergedorf 85 gab sich auch in der Folge nicht einfach so geschlagen und machte munter weiter. Ein Anschlusstreffer wäre nicht nur möglich, sondern auch verdient gewesen. Aber innerhalb von 120 Sekunden stand dem gleich zweimal das Aluminium im Weg. Erst, als RSC-Verteidiger Alexander Hintz einen Nkengni-Einwurf fast ins eigene Tor schäkelte (55.). Dann, nachdem der eingewechselte Tarec Blohm - in Folge einer blitzsauberen Kombination über Sayed Munib Ali Saqib und Yazici - völlig freie Bahn hatte, aber am linken Pfosten scheiterte (57.). „Ich wollte in der zweiten Halbzeit auf ein 4-3-3 umstellen und voll attackieren“, so Karadiken. Doch dann kam der Platzverweis. „Wir hätten sie heute knacken können! Sie waren sehr offensiv und wollten nur Tore schießen. Ich kann der Mannschaft auch keinen Vorwurf machen. Wer weiß, wie so ein Spiel läuft, wenn wir eine unsere Chancen nutzen?!“

Rahlstedt in der Schlussphase in Torlaune

Bergedorf ließ sich nicht entmutigen und machte - trotz Zwei-Tore-Rückstand und numerischer Unterzahl - so weiter, als wäre nichts gewesen. Die zwei Großchancen sind nur ein Auszug. Allerdings rannten die 85er in der Schlussphase auch noch drei weitere Male ins offene Messer. Das dritte Rahlstedter Tor erzielte ausgerechnet Yannic Reichenbach. Ausgerechnet deshalb, weil der Routinier keinen glücklichen Auftritt hatte und einen Fehlpass an den anderen reihte. „Wenn alle fit gewesen wären, hätte ich ihn Mitte der zweiten Halbzeit eigentlich erlösen müssen“, konnte auch Schäfte hinterher schmunzeln. Nachdem sich Mandel links im Strafraum festrannte, wurde Reichenbachs Schuss von Höhe des Sechzehners noch leicht abgefälscht, eher er im linken Toreck einschlug (68.). Nur wenige Sekunden später erhöhte Hendrik Wolfgramm nach mustergültigem Querpass von Lukas Baake auf 4:0 (69.). Da die Gäste oftmals zu verspielt vor des Gegners Tor waren und auch der eingewechselte Joel Richard seine Riesenchance nicht zu nutzen wusste, stand am Ende die Null. Nur der RSC hatte noch nicht genug - und profitierte von einem Mega-Patzer Zdasjuks, der nach einem langen Ball im eigenen Strafraum umherirrte und dann auch noch das Luftduell gegen den kleinen Kevin Niedrig verlor. Dessen Kopfball musste Wolfgramm nur noch ins verwaiste Gehäuse einschieben - 5:0 (83.)!

RSC an der Spitze - "Eine schöne Momentaufnahme"

Hendrik Wolfgramm rundete den 5:0-Sieg per Doppelpack ab. Archivbild: noveski.com

„Sie haben verdient gewonnen, aber nicht in der Höhe“, bilanzierte Karadiken, der sich von dem guten Auftritt seiner Equipe letztlich nichts kaufen konnte. „Wir haben eine so junge Mannschaft und ich sage den Jungs immer wieder, dass sie im Herren-Fußball ein bisschen härter, robuster und körperbetonter spielen müssen. Nun machen sie das und werden bei jedem noch so kleinen Kontakt bestraft. Ich fand das heute zu einseitig.“ Abschließend gab er zu Protokoll: „Das war jetzt unser fünftes Spiel und fünfmal haben wir gut gespielt. Da waren Spiele dabei, wo wir noch den einen oder anderen Punkt mehr hätten holen können und dann würden wir jetzt auch irgendwo da oben stehen.“ Doch von ganz oben grüßt nun der Aufsteiger aus Rahlstedt - zumindest bis zum Sonntag. „Wir haben gar nicht auf die Tabelle geguckt, da wir mit einigen Verletzten und Urlaubern zu kämpfen haben. Für uns ging es deshalb eigentlich nur darum, mit dem Material, was wir zur Verfügung haben, zu überleben. Es ist nur eine Momentaufnahme, aber eine schöne.“ Wenngleich das deutliche Ergebnis am Ende ein wenig über den Spielverlauf hinwegtäuscht. „ Sie waren forsch. Aber ich finde, dass muss man auch von jeder Mannschaft in der Landesliga erwarten, dass sie versucht, Gas zu geben. Das ist eine Grundvoraussetzung. Aber wir haben uns damit schwer getan. Ins Laufen sind wir erst gekommen, als wir ein Mann mehr waren. Dabei mag ich sowas eigentlich überhaupt nicht, wenn der Gegner einer weniger ist, weil es dem immer einen Motivationsschub gibt und wir uns in der Vergangenheit jedes Mal schwer getan haben. Wir haben hoch gewonnen, was gut für unser Torverhältnis ist, aber es war nicht so, wie wir uns das vorstellen. Wir können wesentlich besser spielen.“ Klingt nach einer kleinen Kampfansage…

Autor: Dennis Kormanjos