Bostelbeker SV II: „Saisonstart als Jungs – Titelträger als Männer“

Crocoll: „Wir sind eine richtige Familie geworden“

10. Juli 2017, 22:13 Uhr

Es herrscht immer gute Laune im Team des Bostelbeker SV II. Egal ob - wie hier zu sehen - in der Kabine, oder auf dem Feld. Die „Familie" hält zusammen. Foto: Bostelbeker SV II

In den letzten Jahren war die Zweitvertretung des Bostelbeker SV in der untersten Hamburger Amateurliga alles andere als erfolgreich. Denn das Team kannte sich hauptsächlich mit Niederlagen aus, weshalb es in der Vergangenheit teilweise auch weit über 100 Gegentore hagelte. Doch jetzt auf einmal ist alles anders - das Blatt hat sich zum Positiven gewendet. Denn die Truppe von Coach Benjamin Crocoll schaffte, nach einem letztjährigen Umbruch, das schon fast nicht mehr für möglich gehaltene: Die Meisterschaft in der Kreisklasse B1! Den Spielern gelang dabei im Laufe der Saison eine enorme Leistungssteigerung und auch die Gemeinschaft festigte sich. „Wir sind eine richtige Familie geworden“, so der Coach. Dies führte dann zu jenem Triumph, den Crocoll ein paar Personen ganz besonders gönnte...

Die Mannschaft des BSV II holte sich mti den meisten Toren und der zweitbesten Defensive völlig verdient den Titel. Foto: Bostelbeker SV II

Vereinsintern wurde beim Bostelbeker SV seit letztem Sommer klar kommuniziert, dass es für die „Zweite“ nur ein Ziel geben kann: Der Aufstieg. Die Mannschaft teilte diese Aufbruchstimmung allerdings nicht gänzlich, wie Trainer Benjamin Crocoll im Gespräch am Rande eines Testspiels erzählt. „Erst als wir eine ganze Weile Tabellenführer waren und es sich herauskristallisierte, dass es ja doch machbar ist, wollten wir den Titel natürlich auch erreichen.“ Und genau das gelang ihm und seiner Truppe sogar recht souverän. Denn mit nur 29 Gegentoren stellten die Crocoll-Schützlinge in der Saison 2016/17 die zweitbeste Defensive und erzielten in 23 Spielen (die wegen Team-Rückzügen nicht gewerteten Partien sind ausgenommen) mit 84 Treffern die meisten Buden in der Staffel. Dabei stach vor allem Mustafa Boylu als Goalgetter heraus - da er, wenn einige seiner Tore wegen des Zurückziehens verschiedener Gegner nicht aberkannt worden wären, insgesamt 42 Dinger im Netz versenkte. So zählten am Ende offiziell „nur“ 27 Treffer, was aber dennoch zum Titel des Torschützenkönigs reichte.

Eine „Familie“ seien sie geworden, die Jungs des BSV II, und alle, die mit ihnen zu tun haben, umschreibt Crocoll die entstandene Gemeinschaft. Deshalb funktionierte auch die Integration neuer Akteure hervorragend, wozu die „alten Spieler“ ihren Teil beitrugen, indem sie die „Frischlinge“ herzlich willkommen hießen. Dabei entstand eine gute Mischung aus Jung und Alt. „Diese Mischung hat es wirklich ausgemacht. Und was ich noch sagen muss: Die Kommunikation untereinander stimmt einfach. Zwar weiß jeder, wer der Boss und wer der Kapitän ist, aber wir besitzen nur eine ganz flache Hierarchie. Keiner fühlt sich besser als der andere und es wird wirklich viel miteinander gesprochen“, so Crocoll, der über die Saison hinweg insgesamt 43 Spieler aus 13 verschiedenen Nationen einsetzte, was zudem ein Beweis dafür ist, dass nicht nur sportlich gesehen die „Integration“ im Verein großgeschrieben wird. Allerdings schrumpfte der Kader aufgrund privater Umstände auf 19 Mann zusammen - auch wenn keiner der Abgänge aus sportlich motivierten gründen den Klub verlässt. Stattdessen kommen sogar fünf Spieler hinzu.

Einigen "ganz Bestimmten" gönnt Crocoll die Meisterschaft

Zumindest der harte Kern des Teams feierte bis in die frühen Morgenstunden ausgiebig den Titel. Foto: Bostelbeker SV II

Lediglich drei Saisonniederlagen musste die Truppe vom Alten Postweg hinnehmen. Und wenn eine Mannschaft mit solch einer Leistung am Ende ganz oben steht, hat sie es sich selbstredend verdient, den Meisteritel zu feiern, was in jenem Fall mit einem gemeinsamen Essen begann und um vier Uhr morgens endete, als sich der übriggebliebene harte Kern dann auch mal verabschiedete. Dabei gab es noch etwas ganz anderes, was die Crocoll-Schützlinge für sich gewinnen und begießen konnten, nämlich die eigene Entwicklung, wie der Trainer klar feststellt: „Wir waren Jungs, als die Saison begann - und Männer, als sie endete. So wie sich das Team vorangebracht hat, war es wirklich sehr männlich.“ Da gehörten auch Spieler dazu, von denen Crocoll nie gedacht hätte, dass sie es noch einmal in den Kader schaffen würden, da sie Teil des vorherigen und weniger erfolgreichen Teams waren. „Aber auch diese Jungs haben sich durchgebissen und trotz der sportlichen Vergangenheit einen Platz in der Mannschaft verdient, was mich etwas überrascht, aber auch furchtbar stolz gemacht hat. Sie haben hart gearbeitet, sich extrem gesteigert und das Siegen gelernt. Gerade diese Spieler haben es am meisten verdient, sich Meister nennen zu dürfen, weil sie wegen der über Jahre anhaltenden Erfolgslosigkeit immer nur belächelt und bemitleidet wurden. Damit meine ich Pedro Rodrigues, Ricardo Richter, Martin Scharff und Marijan Lamprecht.“ 


Vor allem Letztgenannter wird vom Übungsleiter besonders hervorgehoben, da dieser über eine lange Zeit immer nur auf der Bank saß und nicht zum Einsatz kam, sich aber stets in den Dienste der Mannschaft stellte und auf seine Chance wartete. „Marijan war ein sehr pflegeleichter Ersatzspieler, der sich nie beklagt hat.“ Seine Gelegenheit bekam Lamprecht dann in der Rückserie und er nutzte sie prompt, indem er durch seine enorme Leistungssteigerung überzeugte, sodass es an ihm kein Vorbeikommen mehr gab. „Marijan ist mittlerweile, trotz eines viel stärkeren Kaders als letztes Jahr, zu einem absoluten Leistungsträger geworden. Er ist sehr fleißig und zuverlässig und wohl der mannschaftsdienlichste Spieler im Kader.“ Auch diese lobenden Worte scheint sich der defensive Mittelfeldspieler durchaus verdient zu haben.

Crocoll: „Wir fühlen uns wahrgenommen und das ist gut"

Coach Benjamin Crocoll (links, half bei einem Testspiel aus), muss jede Menge Haare lassen, sollte die Herbstmeisterschaft erreicht werden. Foto: Mathias Merk

Zudem gelang es noch weiteren Personen, dem Trainer während der Saison ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Deshalb nutzt Crocoll die Gelegenheit, auch diese unterstützenden Leute einmal namentlich zu nennen, um ihnen zu danken: „Dazu gehört unser Schiedsrichter-Obmann Günter Falk, unser Platzwart Hannes Brinkmann und Michael Schimkus, der die Mannschaft vorher leitete und jetzt unser Ein-Mann-Fanclub sowie unsere gute Seele ist. Aber auch unsere Senioren sind für uns ganz wichtig, da sie immer zu den Spielen kommen und durchgehend sehr positiv gestimmt sind. Dadurch fühlen wir uns auf jeden Fall gesehen und das ist gut.“

Was das künftige Unterfangen in der Kreisklasse 3 angeht, in die der BSV II eingeteilt wurde, hat Crocoll auch schon klare Vorstellungen, wenn er über das Abschneiden seiner Männer nachdenkt: „Ich gehe davon aus, dass wir uns weiter oben in der Tabelle festbeißen werden. Zwar treten in unserer Staffel vier Kreisliga-Absteiger an (TSG Bergedorf II, Störtebeker SV, Benfica und Bramfelder SV III, Anm. d. Red.), mit denen wir vielleicht nicht mithalten können, aber wenn wir dennoch oben dranbleiben und am Ende Fünfter oder Sechster werden, sind wir voll zufrieden.“ Allerdings gibt es für seine Mannschaft eine besondere Motivation, sogar noch viel weiter oben anzugreifen, denn: Sollte sogar die Herbstmeisterschaft erreicht werden, droht dem Trainer die Haar- und Bartschneidemaschine, was in diesem Fall ganz besonders wertvoll wäre, da Crocoll einen Vollbart und lange Haare trägt. „Meine Haare wachsen jetzt seit zwei Jahren unberührt. Ich glaube nicht daran, dass wir die Herbstmeisterschaft erreichen werden, aber meine Jungs haben mich schonmal eines Besseren belehrt. Und klar würde ich dann mein Versprechen einlösen, denn ich habe bei diesem Deal eingeschlagen.“ Seine Truppe weiß eben, wie sie sich noch mehr motivieren kann, um zu weiteren Erfolgen zu gelangen.

Autor: Mathias Merk