Jeske: „Wer vor einem Finale nicht motiviert ist, der hat im Fußball nichts zu suchen!“

Halstenbeks „Endspiel-Ermöglicher“ im Interview

24. Mai 2017, 07:00 Uhr

Jubelgeste: Tim Jeske, der Held des Halbfinales. Foto: KBS-Picture

Gleich drei Mal war er im laufenden ODDSET-Pokal-Wettbewerb der Spieler, der der SV Halstenbek-Rellingen das Weiterkommen bescherte: Sowohl in der Ersten Runde gegen den Wedeler TSV, als auch in der Zweiten Runde gegen den SSV Rantzau und im Halbfinale gegen Altona 93 avancierte Tim Jeske mit späten Treffern zum Matchwinner für den Oberligisten. Wir haben mit dem 28-Jährigen, dessen Einsatz noch am seidenen Faden hängt, über das anstehende Pokalfinale, seinen Wechsel zum Wedeler TSV und die zwei Gesichter der SV Halstenbek-Rellingen gesprochen.  

FussiFreunde: Tim, was überwiegt in Deinem Gefühlsleben derzeit mehr: Die Vorfreude auf das ODDSET-Pokalfinale oder der Frust über die komplett missratene Saison in der Liga?
Jeske:
Nicht nur bei mir, sondern bei der ganzen Mannschaft ist es so, dass die Vorfreude auf das Pokal-Endspiel überwiegt. Ich weiß ja, dass ich in der kommenden Saison auch weiterhin in der Oberliga spielen werde. Die Mannschaft und der Trainer wissen es auch schon lange, ich habe relativ früh mitgeteilt, dass ich zum Wedeler TSV gehe. Klar, ich wollte nicht absteigen. Es ist immer scheiße, wenn man absteigt und dann wechselt. Das liest sich blöd. Vielleicht gelingt es uns, mit dem Pokalsieg andere Schlagzeilen zu schreiben. Aber wir wissen, dass wir nur der Außenseiter sind.

FussiFreunde: Wie erklärst Du Dir, dass HR in den letzten Wochen zwei völlig verschiedene Gesichter hat? Zum einen das des Überraschungsteams im Pokal, zum anderen das eines Teams aus dem untersten Tabellenkeller...
Jeske:
Das ist genauso wie bei unserem Trainer Heko Barthel. Er sagt immer, er könne sich das nicht erklären. Mir geht es da ähnlich: Ich finde keine plausible Erklärung dafür. Wir verstehen es beide nicht. Ich bin ja inzwischen auch ein gestandener Oberliga-Spieler und habe Einiges miterlebt. Ich bin mir sicher, dass wir eine gute Mischung zwischen alten und jungen Spielern in der Mannschaft hatten und haben. Umso unerklärbarer ist das Ganze.

„Was mir Hoffnung macht, ist, dass Norderstedt und vielleicht unterschätzt“

Jubel nach dem Siegtreffer gegen Altona: Tim Jeske (li.) und Coach Heiko Barthel. Foto: KBS-Picture

FussiFreunde: Angst ist bekanntlich kein guter Begleiter: Wie schwer ist es, sich als Spieler nach so viel Abstiegskampf und harten Rückschlägen für so ein Pokal-Endspiel zu motivieren?
Jeske:
Das ist recht einfach. Allein schon, weil es eben das Finale um den ODDSET-Pokal ist. Das merkt man in den letzten Wochen auch schon. Klar sind bei uns die Köpfe aufgrund des Abschneidens in der Liga runtergegangen, aber so eine Endspiel-Teilnahme allein motiviert Dich als Fußballer schon unheimlich. Da muss Heiko Barthel als Trainer eigentlich gar nichts mehr zusätzlich sagen!

FussiFreunde: Du selbst weißt ja schon, was für ein Erlebnis es ist, an der Hoheluft zu spielen, weil Du mit dem FC Elmshorn im Mai 2013 dort gegen den SC Victoria gespielt hast...
Jeske:
Ja genau. Wer vor einem Finale nicht motiviert ist, der hat im Fußball nichts zu suchen!

FussiFreunde: Mit Eintracht Norderstedt steht der Favorit für die Begegnung an der Hoheluft klar fest. Was macht Dich zuversichtlich, dass HR trotzdem nicht völlig abgeschossen wird?
Jeske:
Was mir Hoffnung macht, ist, dass Norderstedt uns vielleicht – genauso wie Dassendorf und Altona im Viertel- beziehungsweise Halbfinale – unterschätzen wird. Natürlich wissen wir um die Qualität, die der Gegner als Regionalligist hat. Wir müssen schon einen absoluten Sahnetag erwischen und Norderstedt darf nicht mal annähernd einen guten Tag erwischen, dann könnte etwas drin sein. Aber wenn man es ganz realistisch betrachtet, sollte Norderstedt den Pokal gewinnen.

FussiFreunde: Was für eine Norderstedter Mannschaft erwartest Du denn am 25. Mai? Wo siehst Du die Stärken und Schwächen der Eintracht?
Jeske:
So richtig ausführlich habe ich ich mit Eintracht Norderstedt noch nicht befasst, weil wir im Abstiegskampf andere sorgen hatten. Aber natürlich kennt man die Jungs, die da kicken. Wir haben im Winter in der Vorbereitung gegen sie gespielt. Mit Jan Lüneburg habe ich ja in Elmshorn in einem Team gespielt und ihm die Bälle für seine Tore aufgelegt (lacht). Ich hab allerdings keinen großen Kontakt mehr zu ihm, sondern eher zu Flemming Lüneburg, der in dieser Saison beim VfL Pinneberg gespielt hat. Mit Philipp Koch und Linus Meyer hat Norderstedt starke Leute im Mittelfeld. Marin Mandic in der Abwehr finde ich überragend. Die Eintracht ist in Hamburg einfach die beste Mannschaft.

„Dass man keinen oder keinen guten Charakter hat, will keiner gerne über sich lesen“

Gleich ist er drin: Der Moment, in dem Tim Jeske (li.) das 2:1 gegen Altona erzielt. Foto: KBS-Picture

FussiFreunde: Euer Trainer Heiko Barthel hat unter anderem nach dem Halbfinal-Sieg gegen Altona 93 den Charakter der Mannschaft kritisiert und gesagt, dass er es nicht begreifen kann, warum die Mannschaft im Pokal überzeugt, aber es in der Liga nicht auf die Reihe bekommt. Wie hast Du diese Kritik aufgenommen? Wie geht die Truppe damit um?
Jeske:
Man fängt an, sich selbst zu hinterfragen und zu durchleuchten: Stimmt was bei mir nicht? Ist mein Charakter nicht in Ordnung? Ich glaube, vor allem die jungen Spieler in der Mannschaft kommen damit nicht gut zurecht. Die stecken den Kopf in den Sand. Andere reizt es, dem Trainer das Gegenteil zu beweisen. Ich glaube aber, insgesamt zieht diese Kritik die Mannschaft runter. Dass man keinen oder keinen guten Charakter hat, will keiner gerne über sich lesen.

FussiFreunde: Du warst mit deinem Treffer zum 2:1 gegen Altona derjenige, der den Einzug ins Finale ermöglicht hat. Beschreibe doch bitte mal, wie Du Dich an diesen Augenblick erinnerst!
Jeske:
In dem Moment, als der Ball drin war, habe ich mich einfach nur gefreut. Nach dem Spiel habe ich überlegt und wusste irgendwie gar nicht, wie ich den Ball reingemacht habe. Gut, dass es Bilder davon gibt, die einen doch daran erinnern.

FussiFreunde: Für dich wird das Finale gegen Norderstedt so oder so ein ganz besonderes Spiel, weil es für dich das letzte für HR vor Deinem Wechsel zum Wedeler TSV ist. Hand aufs Herz: Wie oft hast Du schon davon geträumt, dich mit einem erneuten Siegtreffer zu verabschieden?
Jeske:
Nach dem Szenario haben mich schon viele gefragt. Wenn ich das Siegtor schießen würde, wäre das eine Sache mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wenn HR durch mein Tor gewinnt, würden die Jungs in der nächsten Saison im DFB-Pokal spielen. Das hätte was. Andererseits wäre es für mich dann so, dass ich diese Erfahrung nicht machen kann, weil ich ja wechsele. Also: Wenn ich das Siegtor mache, muss ich wohl nochmal mit Wedel reden... (lacht)

FussiFreunde: Zum Abschluss: Wie lautet Dein Ergebnistipp für das Finale?
Jeske:
Ich denke, dass das Spiel in die Verlängerung gehen wird. Letztlich wird Norderstedt sich dort dann mit 3:1 durchsetzen

Interview: Jan Knötzsch