„Mit solch einer Leistung haben wir keine Möglichkeit auf die Regionalliga!“

Frust pur beim AFC nach dem überraschenden Pokal-Aus

01. Mai 2017, 19:01 Uhr

Die zwei Seiten der Medaille: Enttäuschung pur auf der einen, Glücksgefühle auf der anderen Seite. Foto: KBS-Picture.de

Gerade hatte er mit seinem Tor in der Schlussminute das Pokal-Halbfinale zwischen HR und dem klar favorisierten AFC zu Gunsten des krassen Underdogs entschieden, da war Tim Jeske bereits ein gefragter Gesprächspartner. Auf die Frage hin, ob er denn mit einem stärkeren Gegner gerechnet hätte, entgegnete der Matchwinner: „Ja, das habe ich tatsächlich! Ich war wirklich extrem überrascht, dass sie fast nur mit langen Bällen operiert haben. Spielerisch fand ich die nicht gut heute. Das kam uns natürlich zu Gute.“

HFV-Präsident Dirk Fischer sah ein Spiel, das "von der Qualität her kein Highlight war". Foto: KBS-Picture.de

Nicht nur Jeske zeigte sich ob der offensiv harmlosen Vorstellung der Altonaer überrascht. Bis auf das Tor von Eliezer Correi Cá, dem ein Fehler von HR-Keeper Mirko Oest vorausging (11.), war das nicht viel vom Algan-Ensemble. Eine einzige Kopfballchance von Abdullah Yilmaz, wo Sebastian Krabbes gerade noch rechtzeitig einschreiten konnte (54.): Das war`s! „Ich bin maßlos enttäuscht!“, machte AFC-Präsident Dirk Barthel keinen Hehl aus seiner Gefühlswelt. „Das Problem war der Platz, der Wind und dass wir heute ohne sieben vermeintliche Stammspieler antreten mussten. Das sind die Hauptargumente. Aber trotzdem kann man dieses Spiel besser gestalten, als wir es heute gemacht haben. Die Niederlage war im Endeffekt verdient. HR war ein Stückchen besser, hatte ein paar gute Individualisten dabei, die wir heute nicht hatten. Von daher muss man das ganz nüchtern betrachten: Wir sind ausgeschieden. Das tut natürlich sehr weh! Wir hatten ja insgeheim gedacht, mit HR den leichtesten Gegner zu bekommen“, gestand Barthel. Dass man diesen Gegner eventuell unterschätzt habe, davon wollte Barthel allerdings nichts wissen. „Die Mannschaft war richtig eingestimmt auf heute.“

Fischer: "HR braucht diese seelische Erbauung"

Das Siegtor: Altonas Jakob Sachs (Mi.) leistete sich erst den kapitalen Fehlpass, dann kam er gegen Tim Jeske (li.) zu spät. AFC-Keeper du Preez ist chancenlos. Foto: KBS-Picture.de

Nachdem die 93er zuletzt schon die Fälle in der Meisterschaft haben davon schwimmen sehen, ist mit dem Ziel, erneut ins Oddset-Pokal-Finale einzuziehen, der nächste Traum geplatzt. „Nun können wir uns hoffentlich voll auf die Aufstiegsspiele konzentrieren. Für mich war die Meisterschaft nie so entscheidend. Mein Gedanke ging immer nur in Richtung Aufstiegsspiele. Dort dürfen wir aber nicht solch eine Leistung abliefern wie heute. Dann gibt es für uns keine Möglichkeit, in die Regionalliga aufzusteigen!“, fand Vorstandschef Barthel klare Worte.

Auch HFV-Boss Dirk Fischer ließ es sich nicht nehmen, dem Halbfinale vor der beeindruckenden Kulisse von 1150 zahlenden Zuschauern beizuwohnen. Gesehen hat er ein Spiel, das „technisch nicht gut war, weil auch der Boden ein schnelles, kontrolliertes Passspiel nicht zuließ. Deswegen war es von der Qualität her kein Highlight.“ Verwundert zeigte auch er sich über die Gangart der Gäste, die nach dem Führungstreffer in den Verwaltungsmodus übergingen. „Ich beurteile es so, dass Altona nach dem 1:0 auf das zweite Tor hätte powern müssen. Man darf ein 1:0 nie verwalten. Dann kriegt man das, was man gekriegt hat“, so Fischer, der sich gleichzeitig „für Halstenbek freute“, wie er verriet. Der Grund: „Der Verein steckt im Abstiegsstrudel der Oberliga und braucht diese seelische Erbauung. Die haben sie heute bekommen.“

Bundesliga-Relegations-Rückspiel und Pokal-Finale kollidieren

Allerdings könnte nicht nur der Hamburger Fußball-Verband am Tag des Finals, dem 25. Mai, vor einem großen Problem stehen. Denn Fischer erklärte zudem: „Nach dem gestrigen Katastrophenspiel in Augsburg gehe ich davon aus, dass der HSV in die Relegation muss. Es sei denn Ingolstadt gewinnt all seine Spiele und der HSV verliert den Rest – dann ist man direkt weg. Aber so wäre das Rückspiel der Relegation am gleichen Tag wie das Oddset-Pokalfinale. Wie wir das terminlich entzerren, ist das große Geheimnis. Wir können da schon mal nicht raus, da wir bei der ARD bundesweit im Obligo sind. Und DFB/DFL werden das Relegations-Rückspiel deshalb auch nicht auf einen anderen Tag legen. Also stehen wir vor einem organisatorischen Problem.“

Jeske: "Wir haben mehr fürs Spiel gemacht und wollten es noch unbedingter"

Auch AFC-Coach Berkan Algan sah einen "verdienten Sieger". Foto: KBS-Picture.de

All das wird den Halstenbekern völlig egal sein. Denn nachdem der Drittletzte der Oberliga, der trotz der noch mehr auszutragenden Spiele bereits acht Punkte Rückstand aufs rettende Ufer hat, im Viertelfinale bereits die TuS Dassendorf (1:0) völlig überraschend ins Aus manövrierte, machten die Mannen von Heiko Barthel nun auch vor Altona 93 keinen Halt. „Ich war von Anfang an überrascht, dass Altona nicht so stark war. In der ersten Halbzeit haben sie eine Torchance und die machen sie rein. Ansonsten war es recht ausgeglichen – auch wenn es sicherlich nicht das schönste Spiel war. Ich denke, dass wir mehr fürs Spiel gemacht haben und es noch unbedingter wollten“, bilanzierte Siegtorschütze Jeske. Derweil zeigte sich ein durchaus bedrückter, aber auch fairer Berkan Algan auf der anschließenden PK. „Das ist schon ein bitterer Moment. Aber wenn man den ganzen Pokal-Zyklus mal Revue passieren lässt, dann haben wir den Glücks-Teufel wohl schon ein bisschen sehr überstrapaziert in den letzten Runden. Heute waren wir in der zweiten Halbzeit nicht richtig im Spiel. HR hat griffiger gespielt und die Momente für sich genutzt. Es war kein gutes Spiel von uns. Deshalb hat HR, wie schon gegen Dassendorf, verdient gewonnen. Wir konzentrieren uns jetzt auf die nächsten wichtigen Aufgaben.“ Und dort wird man sich anders präsentieren müssen, damit am Ende der Saison nicht schon wieder die Tränen fließen – und zwar nicht aus Freude, sondern aufgrund der Enttäuschung, dass es wieder nicht gereicht hat…

Autor: Dennis Kormanjos